Unterwegs im alten Kreis Waldbröl

burg_windeckSprechende Ortsnamen

Einst, da ging es im südlichen Teil des Bergischen Landes holterdipolter über Stock und Stein,

von Feld nach Wald,
von Eichen nach Birken,
von Hecke nach Dorn,
von Berg nach Dahl,
von Schneppenhurth nach Euelsloch,
auch wohl von Katzenbach nach Hasenbach oder Hundhausen,
von Meiswinkel nach Krahwinkel.

Es genügte, die wunderlichen Ortsnamen zu hören, und man wußte , wo man war.

Mitten in der Natur nämlich. Und davon ist auch noch einiges übriggeblieben, das alle jene Touristen anlocken könnte, die nicht nur den exotischen Reizen ferner Landschaften erliegen .Denn das Gute ist … in diesem Erholungsgebiet unfern der Rheinschiene und des Ruhrgebietes … ach so nah.

Die Menschen, welche die Gegend in längst vergangenen Zeiten besiedelt haben, verewigten ihr Andenken in zahlreichen -ingen und – inghausen und -hausen-, in -hagen oder roden- Orten, je nachdem aus welcher Richtung sie in das einsame Wald- und Bergland eingedrungen waren und wo sie an irgendeinem geeigneten Ort ihre Zelte aufgeschlagen hatten.

Zahlreich auch die Siefen- und Seifenorte. Die hießen Langenseifen, Blasseifen, Ritterseifen, Wolfseifen, Zimmerseifen , Korseifen oder Perseifen, hatten mit der Reinlichkeit wenig zu tun, mehr schon mit dem Wasser.

Eine Sife war im Mittelhochdeutschen, wie uns das Wörterbuch verrät, ein langsamfließender sumpfartiger Bach, auch eine von einem solchen Bach durchzogene Bodenstelle. Das Verb gab´s als sifen in der Bedeutung tröpfeln, triefen, und damit sind wir auch schon beim Klima.

huette_foerderradDes Herrgotts Pinkelecke?

Ein Religionslehrer habe ihm gesagt, berichtete ein kleiner Schüler, dies sei des Herrgotts Pinkelecke. Stellt man sich darunter eine verlassene und triste übelriechende Ecke vor, so beleidigt der blasphemische Spruch über das Klima nicht nur die vielen Luftkurorte, sondern auch die munter sprudelnden und plätschernden Bächlein, die in großer Zahl im schönsten Sommer zu Tal fließen, wenn weit und breit kein Wölkchen am Himmel zu sehen ist .

An solchen nicht seltenen Tagen dehnt sich die bucklige Welt rund um die Silberkuhle, den Bleiberg, den Goldberg und das Hohe Wäldchen wohlig in der Sonne, drehen die Schwalben ihre Pirouetten, die Lerchen schrauben sich in den Äther und über dem Horizont steigen immer mal wieder die Heißluftballons auf, um sich beschaulich in Richtung Süden treiben zu lassen.

Nicht bestritten werden können allerdings gewisse Werte in den Niederschlagstabellen der Wetterämter. Dies immer an solchen Tagen, wo die atlantischen Tiefs das nordwestdeutsche Territorium überqueren und ihnen dieser oder jener rechtsrheinische Sattel des darunterliegenden Schiefergebirges einen Wassertribut abverlangt. Steigt doch das Gelände vom Rhein her auf eine Ebene zuerst von 300, dann 500 Metern mählich an.

morsbach_kircheEin Blick in die Geschichte

Ein wenig versteht man noch heute, warum die sonnenverwöhnten Römer, auch wenn hier und da von Römerstraßen die Rede ist, sich einst gar nicht oder nur ungern in diese Regionen verirrten, in die undurchdringlichen Wälder und Sümpfe der Sieg- und Sauerländer. Mochte die Barbaren kultivieren, wer wollte. Dass die Kelten da vor ihnen unbedenklicher und weniger empfindlich gewesen waren, bezeugen vielleicht die Namen der Bäche und Flüsse im Gefolge von Sieg und Bröl, die Fluchtburgen und auch mancher frühe Ortsname , dem kein germanisches Wort zuzuordnen ist. Darunter, wie es scheint, alte Wasser- und Sumpfnamen in großer Zahl.

Von Anfang an reich an Quellen und Wasserläufen, die den Mühlen ihr Auskommen und manchen Mühlenorten bis heute ihren Namen gaben, gesellte sich früh auch der Bergbau hinzu mit abbauwürdigen Erzvorkommen, die mühsam erschlossen und in gefährlicher und harter Arbeit abgebaut wurden. Pochwerke, Hämmer und Hütten entlang der Flüsse fügten dem vorhandenen Namenbestand weitere hinzu und ließen Bauwerke eigener Art entstehen.

Daß das Baumaterial für die Fachwerkbauten aus den einheimischen Wäldern und für die festen Steinhäuser, Kirchen und Burghäuser aus den nahen Grauwacke-Steinbrüchen stammte, kann nicht verwundern. Überall im Untergrund lagerte ein sandiges, seit dem Devonzeitalter vor 400 Millionen Jahren hart gewordenes rötlich- gelbes Sedimentgestein, das in kleinen Steinkuhlen nahe den Dörfern für den Privatbedarf oder dort, wo es ergiebig war für den Straßenbau, in großen Steinbrüchen abseits der Orte abgebaut wurde. Eingesprengte Kalkkuhlen und Silbervorkommen erweiterten den Vorrat an Bergbau und hinterließen ihre Spuren auch in den Namen.

Wie das Land im Laufe von Jahrmillionen entstand und geformt wurde und warum es ein Teil des Rheinischen Schiefergebirges ist, hat – vereinfacht gesagt- mit dem Vorhandensein vor 300-400 Millionen Jahren eines von Devonshire in England bis weit auf den Kontinent in unsere Nähe reichendes Meeres zu tun. Ablagerungen, die aus dem Gebiet des nördlich angrenzenden Kontinents stammten, hinterließen mächtige Schichten von Sedimenten, die später zu einem fast alpenhohen Gebirge zusammengeschoben und hernach wieder abgetragen wurden. Das Meer blieb nun nur noch durch Ströme und Flüsse präsent, die sich in diese Ebene eingruben. Zugleich erfuhr die Rumpfebene in mehreren Schüben eine Hebung, die das Gelände terrassenartig formte und es zugleich den Wirkungen von Wind und Wetter aussetzte. Die aus der Tiefe eindringenden Flüssigkeiten kristallisierten und hinterließen manchenorts Erzgänge und mineralisches Gestein.
Steinbrüche, Hämmer , Gewässer und Burgen

Die Anwesenheit der vielen Wasserläufe, abbaubaren Gesteine in den Steinbrüchen und Erze in den Bergwerken bestimmte bis vor 100 Jahren einen wesentlichen Teil der Wirtschaftstätigkeit. Eine weitere Erwerbsquelle bot die Bewirtschaftung der Wälder und Böden, die jedoch selten so nährstoffreich waren, dass sich daraus allein eine ertragreiche Landwirtschaft und der Reichtum einer Landschaft entwickelt hätte.

Daß das Land anfangs nur dünn besiedelt war, verhinderte allerdings nicht, dass sich seit dem frühen Mittelalter Grundherrschaften herausbildeten und manches adelige Geschlecht danach trachtete, seine Gebiete stetig zu erweitern. Das waren in der hiesigen Gegend vor allem die Herren von Sayn und Berg, die Denkmäler ihrer einstigen Bedeutung hinterließen. Der niedere Landadel, der seinen Besitz sicherheitshalber als Lehen erwarb oder zurückerwarb, teilte sich in die Macht und saß auf Sattelgütern und in festen Steinhäusern, die gelegentlich ebenfalls als „Burg“ bezeichnet wurden.

Ein Geflecht alter Straßen bildete sich in Anlehnung an die wenigen großen Durchgangsstraßen der Region, wozu Brüderstraße, Nutscheidstraße und Eisenstraße gehörten, erst spät aus. Echte Burgen in der Nachbarschaft waren die im 30 jährigen Krieg zerstörte Burg Windeck, deren Reste in den letzten Jahren ausgegraben und in erweiterter Form zugänglich gemacht wurden, die heute im Kreis Altenkirchen gelegene Wildenburg sowie Schloß Homburg, das lange Zeit den Grafen von Sayn und denen von Wittgenstein-Berleburg gehörte.

herbst_ruhbroelstrVoller historischer Erinnerungen sind auch die Dörfer in der heutigen Gemeinde Reichshof. Das an der alten Brüderstraße gelegene Denklingen bewahrt mit seiner Burg das Erbe der einstigen windeckschen Rentei und der eigenen Verwaltungstraditionen, die Gruben von Wildberg erinnern an die Bergbautraditionen wie auch an die alte Münzstätte des Mittelalters, das Bauernhofmuseum in Eckenhagen überrascht mit der Reichhaltigkeit seiner Schätze ebenso wie der Ort selbst mit seiner Barockkirche und modernen Freizeitangeboten. Morsbach beherbergt mit St.Gertrud eine der ältesten romanischen Kirchen der Gegend. Die Verkehrsämter der Gemeinden geben über all dies und mehr gerne Auskunft, auch im Internet.

Den einstigen Kreis Waldbröl, der seit Napoleons Zeiten als französischer Kanton und dann als preußischer Landkreis existierte, gibt es seit 1932 nicht mehr. Er ist, verringert um die Gemeinde Dattenfeld an der Sieg, Teil des größeren, seit 1975 noch einmal gewachsenen oberbergischen Kreises geworden. Dennoch will es manchmal scheinen, als wenn die alten Beziehungen im Süden des Oberbergischen zur Sieg hin in den Erinnerungen, den täglichen Gewohnheiten und Nachbarschaften immer noch eine Rolle spielten.

Daß die historischen Erinnerungen in der jahrhundertelangen Einheit dieses Gebietes verankert sind, dürfte auch dem Touristen sich erschließen, der die historischen Denkmäler der Region im Kontakt mit der Natur rund um das Waldgebiet des Nutscheids als Fuß- oder Autowanderer kennenlernt. – KH.