Der BGV Oberberg auf den historischen Spuren der Reformation

Erstmalig unternahm die Oberbergische Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins vom 25.-27. Mai 2018 unter der Leitung ihres Vorsitzenden Marcus Dräger eine Dreitagesfahrt, die 33 Fahrtteilnehmer zu den Stätten der Reformation in Thüringen und Sachsen führte. Ebenfalls wurde auf dieser Reise bei einem Besuch des Schlachtfeldes in Lützen des Dreißigjährigen Krieges gedacht, dessen Ausbruch sich in diesem Jahr zum 400sten Mal jährt.

Wartburg

Die Anreise führte über die Wartburg bei Eisenach, in deren Mauern sich der mit der Reichsacht belegte Martin Luther 1521/22 für zehn Monate versteckt hielt und hier bekanntlich das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, nicht nur ein bedeutender Beitrag zur Verbreitung der Heiligen Schrift, sondern auch ein starker Impuls für die Vereinheitlichung der deutschen Schriftsprache. Mit Neuschöpfungen wie „Feuereifer“, „Herzenslust“, „Wissensdurst“ oder „Lästermäuler“ sorgte Luther für ein anschauliches Bibelverständnis auch bei einfachen Leuten. Vor der Besichtigung der Wartburg unternahmen wir einen Rundgang durch das zu ihren Füßen liegende Eisenach.

Lutherhaus Eisenach

Neben Luther, der hier einige Jahre die Lateinschule besuchte und auch später diesen Ort seiner Jugend noch einige Mal besuchte, hat hier vor allen Dingen die Familie Bach über viele Jahre ihre Spuren hinterlassen und das kulturelle Leben der kleinen Residenzstadt mitgeprägt. Auch Georg Philipp Telemann wirkte einige Jahre in Eisenach. In der Georgenkirche am Marktplatz, Taufkirche von Johann Sebastian Bach und ev.-luth. Bischofskirche Thüringens, erinnern zahlreiche Grabplatten an die Herrschaft der Thüringer Landgrafen, die auf der Wartburg residierten. Hier wurde auch die Hl. Elisabeth mit dem Landgrafen Ludwig IV. vermählt. Die Wohltäterin der Armen und Kranken wurde bereits vier Jahre nach ihrem Tod heiliggesprochen.

Die Gruppe bezog am Abend in Leipzig ihr Quartier in einem Hotel in der Nähe der Nikolai-Kirche, der ältesten Kirche der Stadt und dem Ausgangsort der Montagsdemonstrationen, die 1989 zum Ende der DDR führten. Der erste Reisetag wurde mit einem gemeinsamen Abendessen in Auerbachs Keller beschlossen, der wohl berühmtesten Gaststätte Leipzigs. Goethe kannte sie aus seiner Studentenzeit und verschaffte ihr durch die Szene in seinem „Faust“ weltweite Beachtung.

Der nächste Tag gehörte der Lutherstadt Wittenberg. In den Jahren vor dem 500. Jubiläum des Thesenanschlags im Jahre 1517 wurden die Sehenswürdigkeiten der ehemals kurfürstlich-sächsischen Residenz mit erheblichem Aufwand restauriert. Stadt- und Schlosskirche, Luther- und Melanchthon-Haus, die der Stadt schon 1996 den Welterbe-Titel der UNESCO eingebracht hatten,  erstrahlen in neuem Glanz und ziehen weiterhin Besucher aus der ganzen Welt an. Luther kam 1508 an die neugegründete Universität Leucorea („Weißer Berg“), lebte hier bis zu seinem Tod 1546 und machte mit seinen geistigen Mitstreitern das eher provinzielle Wittenberg zu einem Hauptzentrum der Reformation.

Cranach-Hof in Wittenberg

Die Cranach-Höfe, zu DDR-Zeiten fast zerfallen, erinnern jetzt wieder an den bedeutenden Einfluss der Maler-Familie. Der Reformationsaltar in der Stadtkirche gehört zu den Ikonen der neuen evangelischen Glaubensrichtung. Nach einem Zwischenhalt am Luthergrab und an der im 19. Jh. erneuerten bronzenen Thesentür (das hölzerne Original fiel 1760 einem Kirchenbrand zum Opfer) besuchte die Gruppe am Nachmittag das Lutherhaus, ein geräumiges ehemaliges Klostergebäude der Augustiner-Eremiten, in dem Luther lebte, arbeitete und seine zahlreichen Besucher empfing. Sehenswert sind hier die Lutherstube, die Wohnräume der Familie und der Fürstensaal, in dem an die Förderung der Universität durch die sächsischen Kurfürsten erinnert wird. Besonders hervorzuheben ist auch die große Sammlung mit Luther-Erinnerungsstücken. Man findet hier zahlreiche Drucke, Handschriften, Gemälde, Münzen und Medaillen.

Als Gesamterlebnis für alle Sinne ist das Panorama „Luther 1517“ des deutsch-iranischen Künstlers und Architekten Yadegar Asisi zu verstehen, der weltweit mit seinen Panoramabildern bekannt wurde. In einer 3600 Grad-Rundumsicht taucht der Betrachter auf mehreren Ebenen in das sehr detailliert und lebendig dargestellte Wittenberg des 16. Jh. ein.

Auf der Rückfahrt nach Leipzig machte die Reisegruppe einen kurzen Stopp am Barockschloss Reinharz in der Dübener Heide, das Ende des 17. Jh. vom sächsischen Erbmarschall Heinrich Löser als Jagd- und Lustschloss errichtet wurde. Eindrucksvoll ist auch der das Schloss umgebende Landschaftspark mit seinem alten Baumbestand.

Der letzte Reisetag begann mit einem Rundgang durch die Leipziger Altstadt. Vom in der Nachkriegszeit fast völlig neugestalteten Augustusplatz mit dem Neuen Gewandhaus, der Leipziger Oper und dem Panorama Tower, der von der Dachterrasse einen herrlichen Rundblick über das alte und neue Leipzig bietet, ging es an Nikolaikirche und Nikolaischule vorbei zu Specks Hof, der ältesten Geschäftspassage der Stadt. Hier wird an die lange Tradition Leipzigs als Messe- und Handelsstadt am Schnittpunkt wichtiger europäischer Verkehrswege erinnert, die bis heute ungebrochen fortbesteht.

Specks Hof, Passage im Innenhof, Leipzig

Besonders der lukrative Pelzhandel und ein großzügiges Stapelrecht machten die Kaufmanns- und Bürgerfamilien wohlhabend, und diesen Reichtum zeigte man auch beim Bau prächtiger Villen und Stadthäuser. Viel von der alten Bausubstanz ist mustergültig restauriert worden. Leipzig war immer eine weltoffene Stadt. Seit 1711 wird hier im ältesten Kaffeehaus Deutschlands „Zum arabischen Coffe Baum“ Kaffee ausgeschenkt. Für geistige Genüsse sorgten bekannte Buchverlage, die hier viele Jahrzehnte wirkten (Baedeker, Brockhaus, Reclam, Insel usw.), die Leipziger Buchmesse geht auf das 17. Jh. zurück. Die Leipziger Messe war seit dem Mittelalter ein wichtiger Marktplatz und bleibt auch heute ein zentraler Umschlagsort für Waren und Geschäftsideen.

Leipzig hat auch eine lange Musiktradition. Neben Johann Sebastian Bach, der jahrzehntelang an der Thomaskirche wirkte und auch hier begraben wurde, sind hier der Wahl-Leipziger Felix Mendelssohn-Bartholdy und der gebürtige Leipziger Richard Wagner zu nennen.

Nach einer abschließenden Stadtrundfahrt – das Völkerschlacht-Denkmal war leider wegen einer Radsportveranstaltung nicht mehr im Zeitrahmen erreichbar – ging es zurück in Richtung Heimat.

Gustav-Adolf-Gedenkstätte in Lützen

Nicht aber ohne an einem der bekanntesten Orte des Dreißigjährigen Krieges haltzumachen. In der Nähe von Lützen fand eine der Hauptschlachten statt, in deren Verlauf der das protestantische Lager anführende schwedische König Gustav II. Adolf getötet wurde. Besonders in der schwedischen Geschichte nimmt dieser Monarch eine herausragende Stellung ein. Am Fundort der Leiche wurde eine Gedenkstätte mit einem von Friedrich Schinkel entworfenen Baldachin und einer mit schwedischer Unterstützung erbauten Gedenkkapelle eingerichtet, die auch heute noch von deutschen und schwedischen Gustav-Adolf-Vereinen genutzt wird und damit ein Zeichen für Völkerverständigung gesetzt hat.

Mit vielen neuen Eindrücken kamen die Reiseteilnehmer wieder im Oberbergischen an. Die auf der Fahrt gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass das Interesse an regionaler Landesgeschichte auch in den Neuen Bundesländern sehr groß ist und viel für die Erhaltung historischer Sehenswürdigkeiten und die Pflege kultureller Traditionen getan wird. Womöglich hat die Reise schon deswegen Lust auf mehr gemacht!?

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf