Über den Dächern von Köln – BGV Oberberg besucht geheimnisvolle Orte im Kölner Dom

Am 26. Oktober 2018 besuchten Mitglieder und Freunde des Bergischen Geschichtsvereins Oberberg den Kölner Dom. Zunächst ging es mit der Führerin Christine di Costanzo, Kunsthistorikerin und Mitarbeiterin des Dombauarchivs, mit dem Lastenaufzug der Dombauhütte in luftige Höhen. Neben dem atemberaubenden Ausblick auf die Domplatte und den Kölner Hauptbahnhof genossen die Exkursionsteilnehmer vor allem die unbeschreibliche Schönheit dieser bedeutenden gotischen Kathedrale aus allernächster Nähe.

Oberberger auf dem Dach des Kölner Doms

Der Kölner Dom hat eine lange Baugeschichte. Nachdem Rainald von Dassel, Erzbischof und enger Vertrauter Kaiser Friedrich Barbarossas, 1164 die Reliquien der Heiligen Drei Könige als Kriegsbeute aus dem zerstörten Mailand nach Köln gebracht hatte, schwoll die Zahl der wundergläubigen Pilger sprunghaft an, die alte Bischofskirche, immerhin auch fast 100 Meter lang und schon zu einer fünfschiffigen Basilika erweitert, konnte die Menschenmassen nicht mehr fassen. Dem neuen in Frankreich und England entwickelten Baustil der Gotik folgend, sollte in Köln die größte und schönste Kirche des Abendlandes entstehen. Schon 1322 konnte der Chor geweiht werden, die Heiligen aus dem Morgenland hatten eine neue Bleibe.

Fialen und Bleidach des Langhauses

In den späteren Jahrhunderten entstanden weitere Teile des Baus (südl. Langhaus, südl. Turm). Als die Reformation sich aber in Deutschland ausbreitete, nahm die Zahl der opferbereiten Pilger schlagartig ab, die Geldquellen für den Bau versiegten mehr und mehr. Die Architektur war neue Wege gegangen, die Renaissance hatte die Gotik längst verdrängt. Die Baustelle wurde stillgelegt – für mehr als drei Jahrhunderte. Es gab zwar weiter eine Dombauhütte, aber nur für die dringendsten Instandhaltungsarbeiten.

Die romantische Verklärung des Mittelalters in Literatur und Malerei brachte im frühen 19. Jh. die Wende. Sulpiz Boisserée, ein Kölner Kunsthändler, und andere Liebhaber der Gotik warben unermüdlich für den Weiterbau. Da die Originalbaupläne aber über die Jahrhunderte verlorengegangen waren, stand man vor einem Problem – bis in Darmstadt und Paris durch einen unglaublichen Zufall der alte Plan der Westfassade wieder auftauchte.

Die mächtigen Türme des Westwerks

Die Deutschen hatten in ihrem Streben nach Einheit hier ein gemeinsames Ziel gefunden.  Der kunstbegeisterte preußische König Friedrich Wilhelm IV., zu dessen Herrschaftsgebiet die Rheinprovinz gehörte, stellte einen Großteil der Mittel zur Verfügung, die „Prämien-Collecte“, wie die Dombaulotterie schamhaft genannt wurde, und der Zentral-Dombau-Verein besorgten den Rest. Der Bau ging 1842 weiter und wurde 1880 mit einer großen Einweihungsfeier  vollendet – mit Kaiser Wilhelm I. zwar, aber ohne den im niederländischen Exil weilenden Kölner Erzbischof Paulus Melchers, denn der Kulturkampf war in vollem Gange.

Der Rundgang im Dachgeschoss des Domes zeigte ein durchaus modernes Innenleben. Denn abweichend vom mittelalterlichen Chor bekamen Lang- und Querhäuser einen Dachstuhl aus Metall, der dem Bau Leichtigkeit und doch genug Stabilität verlieh, um eine Bleiplattenlast von 600 Tonnen zu tragen. Jahrzehnte vor dem Eiffelturm entstand hier die größte Eisenkonstruktion der Welt. Den Auftrag hatte zu Recht die Kölnische Maschinenbau AG bekommen, wenn auch ein bisschen  „op kölsche Art“.

Blick vom Vierungsturm – nördliches Querschiff und Hauptbahnhof

Der Aufstieg zur Plattform des Vierungsturmes wurde mit einem einmaligen Panorama-Rundblick über Köln und den Rhein belohnt. Hier wurde nochmals auf die Schwierigkeiten bei der Bauerhaltung hingewiesen: In der langen Bauzeit wurden 50 Steinarten eingesetzt, davon acht in größeren Mengen. Sand- und Kalkstein leiden unter den mannigfaltigen Umwelteinflüssen, so hat die Lage des Hauptbahnhofs in unmittelbarer Domnähe im Zeitalter des Dampfrosses zu schweren Schäden geführt. Die ca. 100 Mitarbeiter der Dombauhütte  werden so schnell nicht arbeitslos, der jährliche Instandsetzungs- und Erhaltungsaufwand liegt bei 11 Mio. €. Allmählich wird der Dom zu seiner eigenen Kopie.

Nach diesen Erfahrungen in himmlischen Höhen ging es in die Tiefen der Unterwelt und damit in die Vorgeschichte des jetzigen Doms. Dr. Georg Hauser, fast 25 Jahre bis zu seiner Pensionierung 2011 Leiter der Domgrabung und ein ausgewiesener Experte für die archäologischen Funde, führte uns in einem zweistündigen mit vielen spannenden Einzelheiten gewürzten Rundgang durch die unterirdischen Teile der Kirche. Er verwies darauf, dass das Bauwerk, das heute als Kölns Mitte angesehen wird, an einem abgelegenen Ort in der Nordostecke der römischen Provinzhauptstadt steht. Hier trafen sich die ersten Christen der Kölner Gemeinde mit durchreisenden Glaubensgenossen. Die Kirchen wuchsen von kleinen Räumen mit 25 Meter Länge bis zum 873 geweihten doppelchörigen Petersdom mit fast 100 Metern Länge und zwei Querhäusern.

Berührung von karolingischem und gotischem Dom

1946 begann das Domkapitel mit umfangreichen Ausgrabungen, in Sorge, dass das Domfundament durch die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg beträchtlichen Schaden genommen haben könnte. Dabei fand man wesentliche Überreste der vorgotischen Bausubstanz. Aus der Grabung wurde eine systematische Erforschung des Dom-Untergrundes, die noch immer andauert. Zwar mussten große Teile des erforschten Terrains wieder zugeschüttet werden, um die Standsicherheit des Domes nicht zu gefährden. Die wesentlichen Bereiche aber wurden durch mächtige Betondecken abgesichert und sind heute interessierten Besuchern zugänglich. Im Laufe der Arbeiten fand man Baureste aus römischer (z.B. eine Fußbodenheizung), merowingischer und fränkischer Zeit (darunter zwei unberührte Adelsgräber).

Der gotische Dom hat ein Gewicht von 120.000 bis 160.000 Tonnen und wird, wie die Gruppe sehen konnte, durch gewaltige Fundamente mit einer Tiefe von 10 bis 16 Metern stabil gehalten. Erdbeben und Winddruck konnten ihm bisher nichts anhaben, dafür sorgt auch die geschickte Verbindung von hartem Basalt und weichem Tuffstein in den Mauern. Obwohl die Baumeister des Mittelalters, verglichen mit unseren technischen Möglichkeiten,  nur einfaches Rüstzeug besaßen, war ihr Erfahrungsschatz umso reicher. Ihre Schöpfungen, in vielen Jahrzehnten gereift, zeigen auch heute noch ihre eindrucksvolle Gestaltungskraft.

Text und Fotos: Harald Meißner