Thüringische Impressionen – Auf den Spuren von Klassik, Bauhaus und Verfassung

Vom 20. bis zum 22. September 2019 bereiste eine Gruppe von 35 Mitgliedern und Freunden des BGV Oberberg Thüringen. Hauptziel der Fahrt war die alte Residenz- und Kulturstadt Weimar, die dieses Jahr im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht. Hier wurden vor 100 Jahren das Bauhaus mit seiner architektonischen und künstlerischen Breitenwirkung und die erste deutsche Republik als Staatsform begründet, die nach dem unseligen Intermezzo des Nationalsozialismus bis in die Gegenwart fortwirkt.

Renovierter Teil Schloss Schwarzburg

Die Fahrt führte die BGV-Besucher aber zunächst in den beschaulichen Erholungsort Schwarzburg in einer der schönsten Gegenden des Thüringer Waldes im idyllischen Schwarza-Tal. Hier liegt der Ursprung eines der ältesten deutschen Adelsgeschlechter, der Grafen von Schwarzburg. Nach Arolsen kam der Geschichtsverein wieder in der deutschen Kleinstaaterei an, denn das Herzogtum Schwarzburg-Rudolstadt hatte im von Preußen dominierten Kaiserreich keinen großen politischen, aber schon einen gewissen kulturellen Einfluss. So ging es auch den Nachbarn, die, überwiegend von ernestinischen Wettinern regiert, nach der Abdankung ihrer Fürsten 1920 im Freistaat Thüringen aufgingen.
Nachdem die schwarzburgische Residenz nach Rudolstadt verlegt worden war, führte die Schwarzburg ein Dornröschen-Dasein, monströse Umbaupläne des Dritten Reiches gaben dem reizvollen Gemäuer den Rest. Heute versucht man in mühevoller Kleinarbeit, die noch erhaltene Bausubstanz mit Bundes- und Landesmitteln zu erhalten. Besonders der barocke Kaisersaal, der die politische Bedeutung der Schwarzburger in der deutschen Geschichte unterstreichen soll, ist ein sehenswertes Kleinod. Vom Hochplateau des Schlossparkes erschließt sich ein wunderbarer Ausblick ins Thüringer Land.

Hotelgaststätte Weisser Hirsch in Schwarzburg

Nach einem zünftigen Mittagessen im altehrwürdigen Hotel „Weißer Hirsch“, in dem Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. August 1919 die Weimarer Verfassung unterschrieben haben soll, ging es zur Besichtigung des hervorragend restaurierten Zeughauses mit der im Deutschen Reich berühmten herzoglichen Waffensammlung. Exponate aus fünf Jahrhunderten, darunter osmanische und französische Beutewaffen und Meisterstücke spätmittelalterlicher Kanonengießerei, unterstreichen noch heute ihre überregionale Bedeutung.
Danach ging es zu den Klängen des Marsches „Hoch Heidecksburg“ des im Ersten Weltkrieg gefallenen Militärmusikers Rudolf Herzer am gleichnamigen Rudolstädter Residenzschloss vorbei nach Weimar.
Am späten Vormittag, den viele Reiseteilnehmer schon vorher genutzt hatten, um die Stadt auf eigene Faust zu erkunden, wurde die im Juli in der ehemaligen Kunsthalle eröffnete Dauerausstellung zur Weimarer Republik besucht. Mit viel Akribie und Liebe zum Detail wurden hier zahlreiche Bild- und Tondokumente, Karten und weitere Exponate zusammengeführt, die nicht nur die politische Geschichte beleuchten, sondern auch die enorme technische und kulturelle Innovationskraft dieser Epoche mit ihren vielfältigen Erfindungen und künstlerischen Hochleistungen nachzeichnen.

Neues Bauhausmuseum

Nach der Mittagspause folgte der Weimarer Republik ein Besuch im Neubau des Bauhaus-Museums, wo die schnörkellosen, in ihren streng geometrischen Formen fast nüchtern wirkenden Museumsräume einzigartig die überwältigende Raumwirkung der Anlage mit ihrer Beleuchtung hervorheben. Hier wurde ein perfekter Rahmen für die vielen Produkte einer der fruchtbarsten Perioden künstlerischen Schöpfungsdranges in Deutschland geschaffen. Man spürt deutlich, wie die Befreiung von autoritärer Herrschaft kreative Kräfte entfesselt hat, die noch weit in die Zukunft wirken.
Von der Moderne zur Weimarer Klassik und noch weiter zurück zur Reformation. In der landläufig als Herderkirche bekannten Stadtkirche St. Peter und Paul, einem der frühesten Orte der Reformation in Deutschland, schuf der Maler Lukas Cranach d. J., der seinem Landesherrn Johann Friedrich I. von Sachsen in dessen neue Residenz Weimar gefolgt war, ein wahrhaft einzigartiges Altarbild, das einerseits die Stellung seines Herrn als Förderer und Schutzherr der Reformation würdigen, aber auch ganz persönlich an den 1553 ebenfalls in Weimar verstorbenen Vater des Künstlers erinnern sollte. Daneben zeigt sich in diesem Bild aber auch in konzentrierter Form die Geistes- und Ideenwelt der neuen Religion. Alter und Neuer Bund verschmelzen, Glaube und Erlösung finden einen sinnfälligen Ausdruck. Cranachs Bild spricht die persönlichsten Gefühle an und regt gleichzeitig zum Nachdenken an. Diese Vielschichtigkeit und Ausdruckskraft machte auch der Vortrag von Elisabeth Asshoff deutlich, einer in Weimar lebenden Altphilologin und pensionierten Schulleiterin, die sich in Untersuchungen mit dem Altarbild und seinen Geheimnissen auseinandergesetzt hat.
Wer noch zur Abendandacht am Weltfriedenstag geblieben war, konnte auch den herrlichen Klang der Sauer-Orgel vernehmen, in der noch Register des Ludwigsburger Orgelbauers Walcker ihren Dienst versehen. Danach trafen sich fast alle Reiseteilnehmer zum Abendessen mit Thüringer Gerichten im traditionsreichen „Schwarzen Bären“.
Der Sonntagmorgen stand zur freien Verfügung. Die einen zog es in den wiederhergestellten Rokoko-Saal der Anna-Amalia-Bibliothek, deren bei dem Großbrand von 2004 beschädigte Bücher immer noch nicht vollständig zurückgekehrt sind.

Weimar – Haus am Horn – Bauhausstil

Die anderen spazierten zur Fürstengruft oder zum Haus am Horn, einem Musterhaus der Bauhaus-Schule aus den frühen Zwanzigern und einem eindrucksvollem Beispiel für bezahlbares und menschenfreundliches Wohnen.
Gegen Mittag trat die Gruppe die Rückreise an – in Etappen. Zuerst wurde das auf einem benachbarten Berg gelegene Schloss Ettersburg angesteuert, das die Herzogin Anna Amalia mit ihrem Sohn Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach zum kulturellen Treffpunkt der geistigen und künstlerischen Elite ihrer Zeit gemacht hatte. Beim Mittagessen auf der Schlossterrasse konnte die wirkungsvolle Einbettung der Anlage in einen weitläufigen Landschaftspark bewundert werden. An ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte erinnert das nahegelegene KZ Buchenwald.
Als obligatorisches Bonbönchen, das sich aber als wahre Perle entpuppte, war ein Besuch auf dem ehemaligen Gut Holzdorf vorgesehen, das der Mannheimer Industrielle Otto Krebs 1917 gekauft und zu einem einzigartigen Herrensitz ausgebaut hatte. Das Haus diente nicht nur als Präsentationsort seiner umfangreichen Kunstsammlung, sondern war auch beliebter Rückzugsort vieler Künstler.

Ehepaar Deselaers begrüßt die Gruppe in seinem Forstbetrieb des Thüringer Waldes

Letzte Station war ein Besuch bei unserem Mitglied Jörg Deselaers, dem Kurator des Stiftes Ehreshoven, dessen Familie seit 2005 einen Forstbetrieb im thüringischen Georgenthal bei Gotha bewirtschaftet. Bei Kaffee und Kuchen berichteten er und der zuständige Revierförster Dirk Dubetz vom Forstamt Finsterbergen Wissenswertes über den Thüringer Wald. Am Candelaber, einer denkmalgeschmückten Lichtung mit grandiosem Ausblick auf die Wälder der Region, erinnerte Dubetz an die älteste Kirche in Thüringen.
Danach ging es hangabwärts in den ländlichen Ort Altenbergen-Catterfeld, wo Sabine Marx, die Vorsitzende des örtlichen Geschichtsvereins, die Gruppe durch das in einem ehemaligen alten Schulhaus eingerichtete Heimatmuseum führte. Ähnlich wie im Oberbergischen waren auch hier die Böden wenig ertragreich, und nur mit handwerklichen Nebentätigkeiten konnte sich ein Großteil der Landbevölkerung ein erträgliches Auskommen sichern. Hier war es die Schnitzkunst, die wahre Meisterwerke hervorbrachte.
Um 11 Uhr abends traf die Gruppe wieder in Gummersbach ein, das Ende einer kompakten Erlebnisfahrt, die allen Teilnehmern ein Maximum an bleibenden Eindrücken verschaffte.

Test: Harald Meißner,  Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

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