Battenberg und das Bergische Land

Zum Tode von Prinz Philip sei an die Beziehungen seiner Mutter, Prinzessin Alice von Griechenland zum Bergischen Land erinnert.

Für die Einwohner des alten Kreises Gummersbach, bzw. der Freien Reichsherrschaft Gimborn-Neustadt ist es schon über 200 Jahre her, dass man von engen Verbindungen zum Londoner Hof sprechen konnte. War doch der letzte Landesherr auf Gimborn, Graf Johann-Ludwig von Wallmoden-Gimborn, ein natürlicher Sohn von König Georg II. von England und somit Onkel von König Georg III. Graf Wallmoden-Gimborn bestimmte die Geschicke seines kleinen Landes von 1782 bis 1806.
Für eine ähnlich lange Zeit in der jüngeren Vergangenheit pflegte nun die Schwiegermutter von Königin Elisabeth II., Prinzessin Alice von Griechenland (1885-1969), eine geborene Prinzessin von Battenberg, enge Beziehungen zum Bergischen Land. Sie verbrachte zwischen 1936 und 1965 regelmäßig längere oder kürzere Aufenthalte auf Gut Breibach in Kürten, keine 5 km von der Kreisgrenze zum Oberbergischen Lindlar entfernt. Wie es zu diesen Aufenthalten kam, so dass auch Prinz Philip das Bergische Breibach nicht unbekannt blieb, liegt in der Lebensgeschichte von Prinzessin Alice begründet. Aus dieser werden auch die guten Verbindungen von Prinz Philip zu seiner deutschen Verwandtschaft deutlich. Prinzessin Alice wurde 1885 als erstes Kind von Viktoria von Hessen-Darmstadt und Prinz Ludwig von Battenberg auf Schloss Windsor als Enkelin von Queen Viktoria geboren. Sie war von Kind an taub und lernte im Laufe ihres Lebens mehrere Sprachen von den Lippen zu lesen.
Sie heiratete 1903 in Darmstadt, in der russischen Kapelle auf der Mathildenhöhe Prinz Andreas von Griechenland. Aus dieser Ehe gingen neben Prinz Philip noch vier Mädchen hervor. Margarita (1905-1981) verheiratet mit Gottfried Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, Theodora (1906-1969) verheiratet mit Berthold Markgraf von Baden, Cecilia (1911-1937) verheiratet mit Donatus Erbgroßherzog von Hessen-Darmstadt, Sophie (1914-2001), verheiratet 1. mit Prinz Christoph von Hessen-Kassel (gest.1943) 2. mit Prinz Georg von Hannover und Prinz Philip (1921-2021). Philip wurde auf Korfu geboren, kurz bevor die Familie nach Abschaffung der Monarchie in Griechenland ins Exil nach Paris ging, wo sich alsbald die Wege des Ehepaares trennten und bei Prinzessin Alice vermehrt psychische Probleme auftraten, die ab den 1930er Jahren in mehreren aufeinanderfolgenden Klinikaufenthalten in Berlin und am Bodensee behandelt wurden.
1930/31 heirateten in kurzer Folge alle vier Töchter. Prinz Philip wurde von mehreren Verwandten betreut und erhielt seine Erziehung im Internat Salem, bzw. später in Gordenstoun. Nach Alices Rückkehr aus den Sanatorien vermittelte Kuno Graf Hardenherg – der von Alices Mutter gebeten worden war sich um sie zu kümmern – (er war Hofmarschall von Großherzog Ernst-Ludwig gewesen und hatte enge Bindungen zur Familie Hessen-Darmstadt) 1933 eine Wohnung mit Familienanschluss in einer Villa in Köln-Lindenthal. Zuvor hatte Prinzessin Alice eine kurze Zeit im Hotel Excelsior am Dom gewohnt. Nach kurzen Wochen in Lindenthal, wo der persönliche Kontakt zur Familie wohl nicht so glücklich war, zog Prinzessin Alice nach Brück zur Familie Dilmit, einem deutsch-russischen Ehepaar, wo sie sich nun so wohl fühlte, dass sie zwei Jahre dort blieb. Dort fiel ihr ein Hausprospekt von Landgut Breibach in die Hände, in dass sie nun für gut ein Jahr zog. Eine für 28 Gäste ausgelegte Pension in einem kleinen Nebental der Kürtener Sülz. Zimmer mit fließendem Wasser, Zentralheizung, Wintergarten mit offenem Kamin. Betrieben wurde das Landgut von der Familie Reinhold Markwitz. Er war ursprünglich Notar in Duisburg, wurde aber als Sozialdemokrat von den Nazis mit Berufsverbot belegt und fand nun ein Auskommen in der bergischen Abgeschiedenheit. Die wenigen Schilderungen von Mitarbeitern oder anderen Gästen beschreiben den adeligen Gast als eine bescheidene Dame, die beim Kartoffelschälen half, ihr Bett selber machte und sehr kinderlieb, viele Bonbons verteilte. Sie holte sogar auf dem Nachbarhof die Milch in Kannen ab. Im April 1937 besuchte ihre Mutter Prinzessin Viktoria sie in Breibach. Deren Mann, Ludwig von Battenberg, änderte 1917 den Familiennamen in Mountbatten. Sie wohnte bis zu ihrem Tod im Kensington Palace, wo heute Prinz William und die Herzogin von Cambridge leben.
Bei dem Besuch in Breibach kam Prinzessin Viktoria zu dem Schluss, dass es Zeit sei, dass Alice ihren Sohn Philip nach so vielen Jahren wiedertreffen sollte. Der hatte in den letzten acht Jahren so gut wie nichts von seiner Mutter gesehen und gehört. Prinz Philip verbrachte Ostern 1937 auf Schloss Wolfsgarten, so dass ein erstes Treffen stattfand (Ob in Breibach oder Wolfsgarten bleibt noch zu recherchieren. Darüber lässt sich die Biografin von Alice, Karin Feuerstein-Praßer nicht detailliert aus.) Dass sich Prinz Philip nach dieser schweren Jugend einen harten Kern zulegte – nur allzu verständlich.
In Begleitung von Frau Markwitz besuchte Alice im Frühsommer 1937 ihre Tochter Theodora auf Schloss Salem. Sie erfuhr in Breibach am 09.10.1937 vom Tod des letzten Großherzogs von Hessen-Darmstadt Ernst-Ludwig, zu dessen Beerdigung sie von Breibach nach Darmstadt reiste.
Im November 1937 starb ihre Tochter Cecilia mit Mann und zwei Kindern bei einem Flugzeugabsturz bei Oostende. Fotos der Beerdigung in Darmstadt zeigen Prinz Philip in der ersten Reihe hinter den Särgen der Erbgroßherzoglichen Familie. Auch von diesem wohl dramatischsten Ereignis in der Familiengeschichte erfuhr sie in Breibach. Danach besuchte Prinzessin Alice im Dezember 1937 ihre Schwester, Kronprinzessin Louise von Schweden in Stockholm. (Großmutter von Carl XVI. Gustav) Sie kehrte von dort nicht mehr nach Breibach zurück sondern nach Griechenland, wo inzwischen die Monarchie wieder hergestellt worden war und sie in Athen bis nach dem Krieg lebte.
Bis 1965 kam sie aber regelmäßig nach Breibach für Urlaubsaufenthalte zurück. Seit sie 1948 eine karitative Schwesternschaft gründete und ihre zivile Kleidung ablegte, ist sie auf der Handvoll erhaltener Fotos aus Breibach nur noch in ein Nonnenhabit gekleidet zu sehen. Da sie ihre Scheu, gefilmt oder fotografiert zu werden beibehielt, existieren nur einige verwackelte Schnappschüsse von ihr. Es wird berichtet, dass sie gerne zu Ausflügen im Auto durchs Bergische Land aufbrach und so ist nicht auszuschließen, dass sie auch einmal die älteste Stadt im Bergischen Land gesehen hat, das nur wenige Kilometer entfernte Wipperfürth.
Eine Nachbarin von Gut Breibach, Frau Christa Liedtke, hatte Ärger mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Es ging um eine Abrissverfügung für ihr Haus, das schon vor dem Krieg gebaut wurde und wohl keine Baugenehmigung vorzuweisen hatte. In der Not schrieb Frau Liedtke an Prinz Philip, der auch antwortete. Er könne sich an Breibach erinnern, sich aber nicht in die deutsche Politik einmischen und wünschte Erfolg und Glück. Ein geradezu rührendes Zeugnis des tiefen deutschen Familienbewusstseins von Prinz Philip, erläutert Prinz Rainer von Hessen (Sohn von Philips Schwester Sophie) im Hessischen Rundfunk. Er bat schon vor einiger Zeit den Herzog von Edinburg um ein Grußwort für ein Buch über Schloss Wolfgarten. Er dachte, dass es berichtenswert sei, dass Philip dort glückliche Momente seiner Jugend verbracht hat. Durch Krankheiten und Krankenhausaufenthalte Prinz Philips in den letzten Monaten hatte er mit einer Antwort eigentlich nicht mehr gerechnet. Er erhielt am Donnerstag, 08.04.2021 einen großen Umschlag mit einer sehr schönen Schilderung des Wolfsgartener Schlosses und Parks aus den 1930er Jahren. Am 09.04.2021 starb Prinz Philip in Windsor Castle, dem Geburtsort seiner Mutter. Das zeigt, dass er bis zum Schluss noch deutliche und schöne Erinnerungen an Deutschland hatte.

Text und Fotos: Marcus Dräger

https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_von_Battenberg

https://de.wikipedia.org/wiki/Philip,_Duke_of_Edinburgh

https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Wolfsgarten