„Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“, Band 14: BGV Oberberg berichtet Neues von damals

Nach zweijähriger Vorbereitung präsentierte der Bergische Geschichtsverein am 12.11.2021 in Anwesenheit der Buchautoren, des Landrates Jochen Hagt, des Engelskirchener Bürgermeisters Dr. Gero Karthaus und weiterer Gäste auf Schloss Ehreshoven den Band 14 seiner 1986 begründeten Reihe „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“. Es haben sich diesmal 14 Autoren zusammengefunden, um auf 264 Seiten über interessante Ereignisse und Entwicklungen in der Heimatgeschichte zu berichten. Dies verdient umso mehr Beachtung, weil die nun mittlerweile fast zwei Jahre andauernde Corona-Pandemie die Arbeit in öffentlichen und privaten Archiven sehr erschwert hat. Besonderer Dank gilt auch der Kulturstiftung Oberberg der Kreissparkasse Köln, die unser Buchprojekt mit einem großzügigen Zuschuss gefördert hat.
Chronologisch reicht die Themenvielfalt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Den Anfang macht Friedrich Adolph Freiherr von Dellingshausen, der in seinem Beitrag detailreich und sachkundig das Leben des damaligen Gimborner Landesherrn Adam von Schwarzenberg Revue passieren lässt, eines weit über die Grenzen des Bergischen Landes hinaus wirkenden Staatsmannes, der es sogar bis zum Leitenden Minister des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm brachte. Ihm gelang es, dass aus dem kleinen „Schwarzenberger Ländchen“, das ihm von seinem Dienstherrn übertragen worden war, schließlich die unabhängige Reichsherrschaft Gimborn-Neustadt wurde. Dellingshausen, selbst Ritter des Johanniterordens, beleuchtet in seiner Arbeit besonders die Stellung Schwarzenbergs als Herrenmeister der Ballei Brandenburg, einer Keimzelle der heutigen Ordensgemeinschaft der Johanniter.
Als nächstes befasst sich Günter Benz mit der Lebensgeschichte der – man würde heute sagen – alleinerziehenden Mutter Marie Eckenbach aus Nümbrecht, die im ausgehenden 18. Jh. mehrere uneheliche Kinder von verschiedenen Vätern zur Welt brachte, mit ihrem Lebenswandel ins Visier der sittenstrengen weltlichen und geistlichen Obrigkeit geriet und sogar den Landesherrn im fernen Berleburg beschäftigte. Ihr Schicksal gibt Einblick in die damalige Abhängigkeit von staatlichen und moralischen Zwängen in einer Gesellschaft, der die Freiheitsrechte des Einzelnen noch wenig bedeuteten.
In einem weiteren Beitrag befasst sich Benz mit dem Verkauf der Herrschaftlichen Mühlen in der Herrschaft Homburg im 19. Jh. Gewerbefreiheit und aufgehobener Mühlenzwang machten den Betrieb für den Landesherrn unattraktiv. Aufstrebende Kleinunternehmer traten an seine Stelle und der dezentrale Betrieb sorgte für einen größeren Wettbewerb. Der Verkaufspreis der Mühlen zeigt auch deren wirtschaftliche Bedeutung. Die bekannteste, Holsteins Mühle in Sichtweite des Schlosses, blieb bis 1969 im Besitz des Fürstenhauses Sayn-Wittgenstein.
Der Gummersbacher Historiker Jürgen Woelke macht den Leser mit einer der interessantesten Frauengestalten bekannt, die im 19. Jahrhundert in der Region gewirkt haben, und unterstreicht die Bereitschaft des aufstrebenden Bürgertums in der späteren Kreisstadt, kulturelle Impulse von außerhalb aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Louise Jügel, ihre Schwester Henriette malte die bekannte Gummersbacher Stadtansicht, brachte hauptstädtisches Flair aus dem fernen Berlin mit, als sie zu ihrer Tante nach Gummersbach kam. Damals hatte sie schon nicht nur enge Kontakte zum preußischen Königshof gehabt, sondern war auch bestens mit Kunst und Literatur vertraut. Ihre Ehe mit Daniel Heuser, dem Miterben des bedeutenden Handelshauses, gab ihr die Möglichkeit, auch in Gummersbach entscheidend auf die Ausbildung einer bürgerlichen Kultur einzuwirken.
Der Windecker Bergbau-Experte Harald Patzke, dem wir schon ein Buch über die bekanntere Grube Silberhardt verdanken, hat in seinem Beitrag die Geschichte der kleineren Schwester, der Blei- und Zinkerz-Grube Jucht, geschildert, die wahrscheinlich schon im Mittelalter in Betrieb war und bis ins 20. Jh. genutzt wurde. Patzke zeigt in seinem Aufsatz, wie mühsam es war, lohnende Erzlager zu lokalisieren und gewinnbringend abzubauen. Eindringendes Wasser, das mit ausgeklügelter Technik ferngehalten werden musste, und schlechte Wege in die Verarbeitungszentren machten die Förderung teuer und sorgten für hohe Risiken, die nur genossenschaftlich von mehreren Investoren getragen werden konnten.
Manfred Schenk schreibt in seinem Beitrag über seinen Vorfahren Julius Schenk nicht nur eine kleine Geschichte seiner Familie, sondern lässt den Leser auch an der Entwicklung der Grauwacke-Förderung teilhaben, die im Oberbergischen einen wichtigen Erwerbszweig darstellte. Grauwacke wird in der Region schon seit vielen hundert Jahren abgebaut, erst in kleinem Stil für Grundmauern oder Burghäuser; später – besonders in der Industrialisierung und der Preußenzeit im 19. Jh. – nahm die Nachfrage nach Grauwacke für die unterschiedlichsten überregionalen Bautätigkeiten (Straßen- und Eisenbahnbau, Gebäudebau usw.) rasant zu und sorgte für die Schaffung von Hunderten von Arbeitsplätzen. Wie der Abbau in diesen Betrieben funktionierte und welche Belastungen er für die Beschäftigten mit sich brachte, zeigt Schenks Arbeit in eindringlicher Weise. Am Bau des Bismarck-Turms in Wiehl (1908/09) hat Julius Schenk selbst mitgewirkt: Er schuf den Schlussstein über dem Torbogen mit dem Wappen des „Eisernen Kanzlers“.
Wie der Bonner Historiker Dr. Norbert Kühn schreibt, gibt es über die letzte Herrin auf Schloss Ehreshoven, die Gräfin Marie von Nesselrode, wenig Biographisches in Publikationen. Umso wertvoller ist sein Vortrag, den er zum 100. Todestag der Gräfin in Ehreshoven gehalten hat und in dem er viele Fakten aus ihrem Leben zusammengetragen hat. Schloss Ehreshoven gehörte seit dem 14. Jh. den Grafen von Nesselrode, die letzte Erbin Marie blieb bis zu ihrem Tod 1920 kinderlos. Nach ihrem letzten Willen, der auch das soziale Engagement der Gräfin zeigt, sollte hier nach ihrem Tod ein schon lange geplantes Stift für bedürftige unverheiratete katholische adelige Fräulein der Rheinischen Ritterschaft Bedburg errichtet werden, die nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches oft in Not geraten waren. Erbstreitigkeiten mit Verwandten der Gräfin und andere Faktoren verzögerten die Gründung des Stiftes bis ins Jahr 1924. Letztlich hatte es dann aber auch wegen einer klugen und geschickten Wirtschaftsführung Bestand und kann in wenigen Jahren sein 100jähriges Jubiläum feiern.
Auch die Naturwissenschaften und die Medizin haben im Oberbergischen bedeutende Vertreter hervorgebracht. Einer von ihnen ist Dr. Richard Sondermann, ein Augen- und HNO-Arzt, der in Dieringhausen gewohnt und praktiziert hat und hier auch mit einer Straßenbenennung geehrt wurde. Dr. Christoph Thiesen, der sich schon in den vorhergehenden „Beitrags“-Bänden mit dem Industriellen-Zweig der Familie Sondermann befasst hat, schildert die Lebensgeschichte eines vielseitig interessierten Arztes, der nicht nur seine Patienten mustergültig versorgte, sondern auch als leidenschaftlicher Wissenschaftler wegweisende Entdeckungen machte und daraus neue Therapien ableitete. Lehr- und Forschungstätigkeiten führten ihn an die Universitäten in Bonn, Münster, Freiburg und Berlin. 1939 wurde er mit dem renommierten Albrecht-Graefe-Preis ausgezeichnet. In Dieringhausen war Sondermann als emsiger Förderer des Gemeinwohls bekannt, hier erinnert man sich an sein Wirken im Gemeinnützigen Verein und der Gemeinnützigen Genossenschaft, die erschwinglichen Baugrund auf den Aggerhöhen bereitstellte.
In dem Beitrag von Udo Witkowski-Baumann über Grötzenberg im Homburger Land erfahren wir Wissenswertes nicht nur über die Geschichte und Einbindung der Ortschaft selbst, sondern auch über den regionalen Eisenerzbergbau und die daraus gewonnenen und in der aufstrebenden Industrie eingesetzten Folgeprodukte.
Paul Friepörtner und der Arbeitskreis Regionalgeschichte Lindlar haben sich der Geschichte der örtlichen Bestattungskultur angenommen und stützen sich dabei auf einen ausführlichen Bericht, den Wilhelm Breidenbach, der Rechnungsführer der Kirchengemeinde St. Severin, 1896 akribisch und detailreich recherchiert und für das Kirchenarchiv zu Papier gebracht hat. Friepörtner gibt einen interessanten Einblick in die Gepflogenheiten längst vergangener Zeiten und macht den Leser gleichzeitig mit dem Wirken des bedeutenden Lindlarer Heimatforschers Breidenbach bekannt.
Dieter Rath hat in seiner Arbeit den nicht immer leichten Übergang vom Postkutschenverkehr zur Anbindung an den sich im 19. und frühen 20. Jh. stetig ausdehnenden Bahn- und Busverkehr beschrieben. Das Oberbergische Land hatte es als vorrangig von der Landwirtschaft lebendes Gebiet schwer, die gewinnorientierten Betreiber der großen Bahnstrecken von einem Anschluss ihrer Orte an das Netz zu überzeugen. Ohne diese Verbindung mit der weiten Welt war aber eine effektive Entwicklung von Handel und Gewerbe nur schwer möglich. Exemplarisch zeigt Rath, wie die abgelegenen Kommunen – oft erfolglos – mit Hartnäckigkeit und Erfindungsreichtum ihre Ziele über Jahre und Jahrzehnte verfolgten. Auch der Verkehr mit Bussen ließ auf sich warten, die letzten Postkutschenlinien verschwanden erst in der Weimarer Republik.
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg herrschte in Deutschland Not und Mangel. Das Geld verlor an Wert, Waren wurden knapp. Um die enorme Nachfrage der Bevölkerung nach Lebensmitteln und anderen Konsumgütern und der Gewerbebetriebe nach Rohstoffen und Ausrüstungen zu decken, entstanden auch Parallelmärkte, die auf nicht ganz legale Weise bedient wurden. Peter Ruland beschreibt in seinem Beitrag „Babylon Oberberg“ auf der Basis von Presseberichten aus dem Jahr 1920 das massive Anwachsen krimineller Aktivitäten: Diebstähle aller Art (Lebensmittel, Kleidung, aber auch Metalle und Elektromotoren usw.) nahmen überhand. Die Polizei war vor große Herausforderungen gestellt, konnte aber auch Erfolge vorweisen. Banden, die ihre Beute oft in der nahegelegenen Großstadt Köln absetzten, waren mehr oder weniger gut organisiert und schreckten auch nicht vor Gewaltanwendung zurück. Der Krieg hatte viele verrohte Gemüter zurückgelassen, Waffen gab es noch reichlich. Erst allmählich kehrten wieder Ruhe und Ordnung ein.
Bis heute geheimnisumwoben ist der Münzfund, der 1926 in einen Feld bei Weiershagen gemacht wurde. Er bestand aus 10 Gold- und 19 Silbermünzen, die hier während des Dreißigjährigen Krieges versteckt worden waren. Bei einem Einbruch in Schloss Homburg wurde 1969 ein Teil der Münzen gestohlen. Über den ursprünglichen Besitzer des Schatzes können nur vorsichtige Vermutungen angestellt werden, wie Dr. Alexander Rothkopf in seinem Beitrag schreibt. Da die Prägungen nicht nur aus fürstlichen Münzorten, sondern auch aus den großen Reichsstädten stammen und viele der Silbermünzen auch aus den Niederlanden kommen und möglicherweise im Rheinland zirkulierten, könne man eventuell auf Erlöse aus dem Handel mit (kriegswichtigen) Waren aus der Region schließen.
Maik Bubenzer hat sich mit der Erinnerungskultur der oberbergischen Sportvereine beschäftigt, die immer noch zahlreich sind und über eine große Zahl aktiver Mitglieder verfügen. Die vielfältigen Formen der Traditionspflege, die Bubenzer in seiner Arbeit vorstellt, zeigen deutlich, wie stark Vereine die gesellschaftliche Identität ihrer Mitglieder prägen und umgekehrt deren Vorstellungen und Bedürfnisse die Vereinsarbeit bestimmen und darüber hinaus beträchtlichen politischen Einfluss ausüben.
Der Band 14 der „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“ liegt ab sofort in den oberbergischen Buchhandlungen bereit, er kann auch direkt über die Geschäftsstelle des BGV Oberberg (Dieter Forst: forstdieter@t-online.de) bezogen werden. Der Preis in den Buchhandlungen und für Nicht-Mitglieder liegt bei 25,– €, Mitglieder des BGV zahlen bei Bestellung in der Geschäftsstelle 20,– €.

Text: Harald Meißner Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

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