Mittelalterliche Malereien und ihre Erhaltungsproblematik – mit Rebecca Tehrani in Wiedenest

Am 8. September 2017 trafen sich 25 Mitglieder und Freunde des Bergischen  Geschichtsvereins Oberberg, um sich vor Ort über die Wandmalereien in der Ev. Kreuzkirche in Wiedenest zu informieren. Für diese Veranstaltung konnte Rebecca Tehrani gewonnen werden, die über den aktuellen Stand der Forschungsarbeiten referierte. Frau Tehrani absolviert ein Masterstudium am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Technischen Hochschule Köln und hat ihre Bachelor-Arbeit über die Wandmalereien in der Wiedenester Kirche geschrieben. 2015 konnte sie im Rahmen der letzten Restaurierung neue Einblicke in Entstehungsgeschichte und den gegenwärtigen Zustand der Kunstwerke gewinnen.

Zu Beginn des Vortrages wurde der Werdegang der Wiedenester Kirche beleuchtet. An einer uralten Quelle gelegen, der man schon in vorchristlicher Zeit heilende Kräfte zusprach, entstand aus einer Holzkirche im frühen 12. Jahrhundert eine aus Bruchsteinen gemauerte Basilika mit flacher Decke. Im 13. Jahrhundert erhielt dieser Bau eine gewölbte Decke, die Bedeutung des Ortes war gewachsen, als der Legende nach ein Kreuzfahrer einen Splitter vom Kreuz Jesu der Kirche geschenkt hatte. 1301 wurde die Kirche in Wiedenest Mutterpfarrei der neu gegründeten Veste Neustadt und blieb es fast ein halbes Jahrtausend. Schenkungen und Stiftungen machten die Kirche wohlhabend, der zunehmende Pilgerstrom verlangte nach einem größeren Gebäude. Um 1452-55 bekam die Hallenkirche ein Querschiff und einen rechteckigen Chor. Weiter bauliche Veränderungen folgten im 18. Jahrhundert.

Kreuzlegende

Da im Mittelalter die meisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten, waren bildliche Darstellungen für die Vermittlung biblischer Inhalte wichtig. Auch die bonte kerke in Wiedenest wirkt über die Sinneseindrücke beim Besucher.

Die Entstehungsgeschichte der Wandmalereien gliedert sich in drei Perioden. Schon der Steinbau des 13. Jahrhunderts wies nicht nur Ornamente (ockerfarbene oder rote Bänder und einfaches Blattwerk) auf, sondern es gab auch figürliche Darstellungen, wie die Reste der Weltgerichtsdarstellung an der Westwand und Farbreste im Langhaus zeigen. Nach der Erweiterung von 1455 wurden auch Querhaus und Chor bemalt, aber wegen der bescheidenen Mittel musste man sich vorerst  mit Rankenbäumchen mit Astpaaren und einfachen Blumen begnügen.

Weit über das Oberbergische hinaus bekannt ist die Wiedenester Kirche aber wegen ihrer dritten Ausmalungsperiode, die man jetzt ins späte 15. /frühe 16. Jahrhundert datiert. Es entstand im Vierungsgewölbe ein Jüngstes Gericht mit Christus als Weltenrichter und einem imposanten Höllenschlund, garniert mit Schablonenrosetten. Das Querschiff nahm zwei miteinander korrespondierende Zyklen auf, die nördlich der Alpen einzigartig sind. In jeweils 17 Einzelbildern werden die Passionsgeschichte (nördl. Querhaus) und die im 15. Jahrhundert besonders von den Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) beispielsweise in der „Legenda Aurea“ verbreitete Heilig-Kreuz-Legende (südl. Querhaus) dargestellt. Neben Quelle und Kreuzsplitter sorgten besonders diese detailreichen Bilder mit ihren einstmals kräftigen Farben für einen stetigen Pilgernachschub.

Die Reformation machte diesem Treiben um 1580 ein Ende, die Kirche fiel an die Lutheraner, die das Wort über das Bild stellten. Für 350 Jahre verschwanden die Malereien unter Tünche, blieben aber erhalten und wurden 1932 von dem Kölner Kirchenmaler Bardenhewer restauriert. Große Beschädigungen an den verdeckten Malereien hatte unterdessen der Einbau einer hölzernen Zwischenempore im Kirchenschiff angerichtet, die Bardenhewer entfernen ließ.

Kreuzlegende

Frau Tehrani gab einen anschaulichen Überblick über die Forschungsmethoden und Konservierungstechniken, die Restauratoren bei der behutsamen Erhaltung unersetzlicher Kunstwerke heute zur Verfügung haben. Dabei zeigte sich aber auch, welcher Aufwand betrieben werden muss, um gerade bei Malereien den Originalzustand auch nur annähernd zu erhalten. Besonders die Feuchtigkeit setzt den Flächen zu, durch Kondensation setzen sich Salzkristalle ab. Organische Pigmente verändern sich unter dem Einfluss von Mikroorganismen und Schimmel. Auch der Einfluss von Tages- und Kunstlicht und die Alkaliempfindlichkeit sorgen für Ausbleichung oder Verdunkelung.

Auch die Freilegung und die Restaurierungen späterer Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht alle Konservierungsmittel vertrugen sich mit den Originalfarben, Wasserglas sorgte für Verschleierung und Vergrauung, Leimauftrag bewirkte bisweilen Farbablösungen.

Wer noch mehr über die mittelalterlichen Wandmalereien der Kreuzkirche in Wiedenest erfahren möchte, sollte sich den Bd. 12 der Beiträge zur Oberbergischen Geschichte vormerken, der im Spätherbst erscheint. Frau Tehrani berichtet hier noch ausführlicher über ihre Forschungsergebnisse.

Nach einer Besichtigung der Heiligen Quelle im strömenden Regen endete ein sehr aufschlussreicher Nachmittag mit der Referentin bei Kaffee und Kuchen im Café Gießelmann in Bergneustadt.

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf