In einer ersten Betrachtung haben wir uns angeschaut, wie die Vorfahren mit den Plagen ihrer Zeit umgegangen sind, welchen Glauben sie hatten, Krieg, Pest, Krankheiten, Not und Hunger zu überstehen. Wir hatten die Frage gestellt, sind solche Erinnerungen mehr Ballast oder Ansporn und Vorbild zur Überwindung? Jetzt wollen wir noch betrachten, wie konkret Heil gesucht wurde in Zeiten, als Ressourcen und konkrete Hilfe schwerlich vorhanden waren, d.h. keine gute medizinische Versorgung, fehlende Kenntnisse von Hygiene und Vorbeugung, ein Zusammentreffen ungünstigster Lebensbedingungen in feuchten rauchigen Wohnungen, ohne fließendes Wasser, bei karger Nahrung und Wetterabhängigkeit.
Einen wesentlichen Trost und Hoffnung spendeten Religion und Kirche mit Riten und Verheißungen, mit Glauben und einer Aussicht auf Belohnung. Neben den Gebeten wurden für die Heiligen Messen gelesen, zu ihren Gedächtnisorten Wallfahrten unternommen oder Prozessionen an ihren Feiertagen abgehalten oder spezielle Litaneien gesungen.
Die Hinwendung zu einem liebenden Gott, der keinen übersieht, half in den dunkelsten Stunden. An vierzehn Nothelfer konnte sich der Gläubige wenden, lokale Verehrung fanden darüber hinaus zahlreiche heilige Schutzpatrone. Sie hatten ihre speziellen Aufgaben und Zuständigkeiten, sollten Bitten und Gebete weiterleiten an Gottes Thron, dem sie näherstanden durch ihr heiligmäßiges Leben oder ihren Märtyrertod.
Zu nennen sind da St. Georg, St. Sebastian, St. Rochus, St. Walburga, St. Medardus, St. Maternus. Sie alle haben im weiteren Umkreis ihre Kapellen oder Klöster, wo sie die Verehrung der Gläubigen als Schutz vor Seuchen, Pest, Fieber usw. genossen.
Wenn wir nur die Heiligen aus der Kirche in Lieberhausen betrachten, so finden wir dort St. Sebastian, St. Katharina, St. Georg, St. Christophorus, St. Nikolaus und die Aposteln Judas Thaddäus und Bartholomäus. Ihnen allen wird auch Hilfe bei bestimmten Krankheiten zugeschrieben, die sie schon durch Wunder unter Beweis gestellt haben.
Ihre besondere Zuständigkeit ergibt sich oft durch ihre Todesart oder Martyrien, die in Analogie zu den Krankheiten herangezogen wird.
Eine uralte Volksfrömmigkeit verbindet auch das Auftreten von Quellen und Heiligtümern. Dazu kennen wir im Rheinland die Gezelinuskapelle in Leverkusen-Alkenrath und in Wiedenest an der Kreuzkirche, wo heilendes Wasser gezapft werden kann. Von St. Achatius in Marienheide bis zu St. Rochus in Loope, Schmitzhöhe und Kemmerich konnte in Oberberg Abhilfe gegen die Pest erfleht werden. Einen Schutz vor Ansteckung erhofften sich auch die Träger sogenannten Pesttaler oder Pestmedaillen des 16. Jahrhunderts. Sie zeigen Bilder aus dem alten und neuen Testament: Kreuzigung und die Aufrichtung der ehernen Schlange durch Moses. Ihre deutsche Beschriftung spricht für die Entstehung eher im protestantischen Raum, z.B. im Erzgebirge. Aber auch katholische Monstranzen konnten damit geschmückt werden, wie in Ründeroth oder in Morsbach noch zu sehen.
Das uralte Christuszeichen IHS, Jesus Heiland Salvator spielt auch auf die Funktion Gottes als Heilsbringer an im Sinne dessen, der Heilung bringt. Darum war auch in der Spätantike Asklepius, der Gott der Heilkunst eine Konkurrenz des Heidentums zum eben aufblühenden Christentum.
Die Zeit der Aufklärung entkleidete das Wasser seiner spirituellen Kräfte, vertraute mehr den chemischen Analysen, ordnete sie in das System einer naturwissenschaftlich begründeten Medizin ein. G. Schmidt spricht sogar von einem Badebetrieb, Badestube und einem Gesundbrunnen in Ründeroth. Immerhin verdiente sich das Wasser den Namen “Stahlbrunnen“, sei es nun zur inneren oder äußeren Anwendung. Später ging der Glaube an die Gesundheit des Wassers auf die Kultur der Badeanstalten über – verbunden mit Luft und Sonne. Bei unserer heutigen Pandemie wird dort eher die Ansteckungsgefahr gesehen. So wandeln sich die Anschauungen! Das zu betrachten bleibt eine Freude der Geschichtsfreunde.
A. Rothkopf
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Der Nothelfer in aller Form von Pestilenz war der Heilige Rochus, dessen Kapellen den Wanderer von Köln bis Olpe begleiteten und ein Stoßgebet ermöglichten: von Bickendorf über Heiligenhaus bis Engelskirchen-Loope, Lindlar-Kemmerich, Schmitzhöhe und Olpe. Die Aufzählung stellt den Pilger- und Handelsweg von Köln bis ins Sauerland und umgekehrt dar.
Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf