525 Jahre Kinderverlobung auf Schloss Burg

In diesen Tagen jährt sich um 525. Mal die sogenannte Kinderverlobung: Am 25. November 1496 wurde auf Schloss Burg bei Solingen die Verlobung zwischen dem sechsjährigen Klever Erbprinzen Johann und der fünfjährigen Erbtochter Maria von Jülich-Berg auf Betreiben ihrer Väter und unter Mitwirkung der Landstände (Adel und Städte) der beiden Fürstentümer vollzogen. Die Hochzeit der beiden versprochenen Fürstenkinder fand 1510 in Düsseldorf statt (Klever Union). 1511 traten sie nach dem Tod Wilhelms IV. gemeinsam die Nachfolge in Jülich-Berg an, 1521 nach dem Tod Johanns II. wurden sie auch Regenten in Kleve-Mark. Es entstanden die Vereinigten Fürstentümer Jülich-Kleve-Berg, zu denen auch die Grafschaften Mark und Ravensberg (Bielefeld) und die Herrschaft Ravenstein an der Maas gehörten. Der Territorialbesitz war nicht in sich geschlossen, trotzdem entstand am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit hier ein Staatsgebilde, das seine Herrscher zu mächtigen Landesherrn im Westen des Reiches machte. Gebietsmäßig nahm es große Teile des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ein.
Seine Nachbarn in der damaligen Zeit waren das reiche Burgund, das nach der Heirat des Erzherzogs Maximilian mit der Erbherzogin Maria in den Einflussbereich der Habsburger kam, das Kurfürstentum Köln mit dem Herzogtum Westfalen, das die bergischen Landesteile trennte und einrahmte, und das Herzogtum Geldern, das tief in die heutigen Niederlande hineinreichte und schon unter Johanns Vater Zankapfel in der Auseinandersetzung mit den Habsburgern war.
Diese Kriegszüge, für das Herzogtum Kleve wenig erfolgreich, und die enormen Kosten der sich an das burgundische Vorbild anlehnenden Hofhaltung hatten die Finanzen in Kleve-Mark zerrüttet und den Widerstand der Landstände gegen den Landesherrn verstärkt. Johann II. musste enorme Zugeständnisse machen und war jetzt in vielen Dingen an die Zustimmung des Adels gebunden. Auch die Versorgung seiner zahllosen Kinder (Beiname: „der Kindermacher“) mit Geld und Gütern verschlang Unsummen. Deswegen kam ihm der Plan einer Union mit dem Nachbarn Jülich-Berg, das wirtschaftlich besser dastand, nicht ungelegen. Beide Herrscher fürchteten die habsburgisch-burgundische Übermacht und wollten deren Expansionsdrang eindämmen.
Das inthronisierte Hochzeitspaar verfolgte im Innern wie im Äußeren eine vorsichtigere Politik. Das Augenmerk Johanns III. (1511/21-1539) galt neben der Konsolidierung der Staatsfinanzen besonders der Durchführung von Reformen in Verwaltung, Gesellschaft und Religion. In der Kirchenpolitik machte sich die Reformation bemerkbar, die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments wurden spürbar. Devotio moderna und die Gedankenwelt eines Erasmus von Rotterdam schufen neue Glaubensformen, ohne mit dem Katholizismus zu brechen. Moderne Hofämter und Verwaltungsinstitutionen ebneten den Weg in ein effektives Staatswesen. Leider sorgten die eifersüchtigen Ständeinteressen dafür, dass jeder Landesteil separat regiert wurde, es gab keine nennenswerten Zentralbehörden. Die einzige Klammer des neuen Staatsgebildes war die Herrscherdynastie. Wie sich zeigte, fielen die Einzelteile nach ihrem Erlöschen 1609 schnell wieder auseinander und überließen anderen Protagonisten das Feld.
Maria von Jülich-Berg, im Wesen strenggläubig, widmete sich der Erziehung ihrer Töchter, der Erbprinz Wilhelm wurde der Obhut des Humanisten Konrad Heresbach übergeben, der schon früh dessen Ideen prägte. Als Wilhelm V. („der Reiche“, 1539-1592) an die Regierung kam, hatten ihn gerade die geldrischen Stände zum Nachfolger des verstorbenen Herzogs Karl von Egmond gewählt. Für die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg hätte das zur weiteren Stabilisierung ihrer Machtstellung im Westen beitragen können, für Kaiser Karl V. war es allerdings eine massive Bedrohung der habsburgischen Position in den Niederlanden. Zwar schloss Wilhelm Bündnisse mit Frankreich und England, der Schmalkaldische Bund der protestantischen Fürsten verwehrte ihm allerdings seine Unterstützung. Als Karl begann, Wilhelms Herzogtümer zu verwüsten, musste dieser einlenken. Im Frieden von Venlo (1543) fiel Geldern an Karl, Wilhelm musste katholisch bleiben und in seinen Ländern die Reformation bekämpfen. Die letztere Bestimmung wurde vom Unterlegenen allerdings kaum beachtet. Wilhelm blieb zwar katholisch, ließ seine Töchter aber evangelisch erziehen und suchte in seiner Heiratspolitik durchaus protestantische Schwiegersöhne. Die 1546 mit der Erzherzogin Maria von Österreich, einer Nichte Karls V., geschlossene Ehe sollte die Beziehungen zum katholischen Lager festigen. Trotzdem verfolgte Wilhelm eher eine zurückhaltende Neutralitätspolitik.
Mit dem talentierten Erbprinzen Karl Friedrich, überzeugter Katholik und auch am Wiener Hof erzogen, glaubte man leichteres Spiel zu haben. Unglücklicherweise starb er 1575 mit 19 Jahren während einer Reise in Rom an den Pocken: Der Papst hatte ihn zur Feier des Heiligen Jahres als Ehrengast eingeladen und ihn als „Verteidiger des Glaubens“ mit Schwert und Hut geehrt.
Für die bergischen Länder war der Tod des Thronfolgers fatal, sein Bruder Johann Wilhelm, zunächst für kirchliche Würden vorgesehen, war den weltlichen Herausforderungen und Erwartungen nicht gewachsen und verfiel, mütterlicherseits vorbelastet, zunehmend in Depressionen und Wahnvorstellungen. 1585 hatte er die Markgräfin Jakobe von Baden geheiratet, die fast schon barocke Hochzeitsfeier hatte acht Tage gedauert und die Bedeutung der Vereinigten Herzogtümer unter Beweis gestellt.
Nach dem Tod Wilhelms und während der Regentschaft Jakobes folgte eher eine Zeit der Wirren und Hofintrigen, denen auch die Markgräfin zum Opfer fiel. Der Tod Johann Wilhelms bedeutete das Ende der Dynastie in männlicher Linie, aber die Erben hatten sich schon geeinigt. Brandenburg und Pfalz-Neuburg, beide lutherisch, wollten die Länder gemeinsam regieren. Die Habsburger hatten allerdings andere Pläne: Kaiser Rudolf II. ließ das in seinen Augen heimgefallene Reichslehen besetzen und hoffte, es für das Haus Habsburg zu gewinnen. Eine massive militärische Gegenwehr evangelischer Fürsten führte zum Scheitern des Planes.
1614 wurde die Erbteilung der bergischen Länder im Vertrag von Xanten geregelt: Das mittlerweile wieder katholische Pfalz-Neuburg erhielt das Herzogtum Jülich-Berg, Kleve-Mark fiel an das jetzt reformierte Kurfürstentum Brandenburg, das hier ein wichtiges Sprungbrett für seinen weiteren Aufstieg zur europäischen Großmacht gewann.
Die Kinderverlobung findet man hautnah auch im Rittersaal von Schloss Burg. Sie wurde hier im Rahmen des Wiederaufbaus (1890-1914) als großformatiges Wandgemälde von Prof. Claus Meyer, einem damals sehr bekannten Historienmaler, nachempfunden und hat seitdem unser Bild von diesem für die bergische Geschichte so zentralen Ereignis mitgeprägt.
Text: Harald Meißner
https://www.schlossburg.de/schloss-museum/historie

Foto Wandgemälde und Historiennachspiel: Dr. Anna Eiter-Rothkopf, Abbildung Wappen = gemeinfrei aus Wikipedia, Abbildung Schloss Burg: kostenlose-fotos.eu