Reise in die bergische Vergangenheit

MülheimDie letzte Reise der Abteilung Oberberg des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) in diesem Jahr ging am 18.Aug. bei tropischen Temperaturen mit der Eisenbahn nach Köln-Mülheim, eine der alten bergischen Städte mit bedeutender Vergangenheit.
Die Führung startete am modern öden Wiener Platz, führte dann zur Regentenstraße, wo sich 1818 die drei Monarchen Friedrich Wilhelm III. von Preußen, der russische Zar Alexander und Kaiser Franz II. von Österreich getroffen haben. Hier steht auch die Kirche St. Maria Himmelfahrt (heute Liebfrauenkirche), 1857 erbaut von Ernst Friedrich Zwirner, einem ehemaligen protestantischen Dombaumeister.

Am Rheinufer kam man zur Clemenskirche. Erbaut in der Zeit von 1200-1220 war sie für Jahrhunderte die einzige Mülheimer Kirche. Sie ist dem Patron der Fischer und Schiffer geweiht und ist Ausgangs- und Endpunkt der „Mülheimer Gottestracht“, der großen Fronleichnams-Schiffsprozession. Diese geht zurück auf einen historischen Diebstahl von Kirchenschätzen. Der flüchtende Dieb kam aber nur bis zur Mitte des Rheins. Hier wurde auf wundersame Weise sein Schiff gebremst, so dass die Mülheimer Schiffer den Dieb schnappen und die Hostien, die den Leib Gottes symbolisieren, wieder in die Kirche tragen konnten (Gottestracht = Gott tragen). Die Gottestracht aus dem 16. Jahrhundert führt auch heute immer nur bis zur alten Grenze nach Köln, dann geht es wieder zurück.
Mülheim3Weiter ging es über die Mülheimer Freiheit, entlang gut erhaltener barocker Bauten. Der Name Freiheit bezog sich auf die Privilegien, die Mülheim seit 1322 genoss, als Adolf VI. von Berg die ersten Stadtrechte verlieh. Es mussten keine staatlichen Steuern entrichtet werden und es gab ein eigenes Münz- und Gerichtsrecht. Seit dieser Zeit bis zur französischen Besetzung 1795 wurde Mülheim durch die Grafen von Berg als Vorposten gegen Köln benutzt und ausgebaut. Es machte Köln Konkurrenz als Marktort und half z.B. rheinaufwärts fahrenden Kaufleuten das Kölner Stapelrecht zu umgehen, indem die Schiffe im Mülheimer Hafen entladen wurden und die Waren auf rechtsrheinischem Landwege um Köln herumgeführt wurden. Lange war die seit 1609 bestehende Religionsfreiheit ein wesentlicher Schritt zum wirtschaftlichen Aufschwung. Im Gegensatz zu Köln durften sich hier alle Religionen niederlassen und Handel treiben. Dies führte nicht nur dazu, dass neue Einwohner nach Mülheim kamen, sondern auch bedeutende Industrieansiedlungen von Köln nach Mülheim verlagert wurden. Die erste und eine der bedeutendsten war die Seidenfabrikation der protestantischen Familie Andreae, die 1714 aus Köln vertrieben wurde.
Im weiteren Verlauf der Besichtigung konnte die sehr schön restaurierte Fassade der ehemaligen Remise der Mülheimer Pferdebahn und der davor stehende Brunnen mit der Mülheimer Ortspatronin Mülhelmia bewundert werden. In der Nähe steht auch das letzte alte Fischerhaus. An die steile Uferböschung gebaut, erlaubt der landseitige Zugang zum Dacheingang, dass man auch bei Hochwasser sicheren Zugang hatte.
Gegen Ende der Führung kam die Gruppe zu den Resten der Lutherkirche, die seit dem 2. Weltkrieg nicht wieder aufgebaut wurde, sondern als Notkirche genutzt wird. Den Abschluss des Rundgangs bildete die protestantische Friedenskirche, die zugleich älteste evangelische Kirche des heutigen Köln. Sie wurde von dem katholischen Hofbaumeister Roth 1786 gebaut, nachdem der Vorgängerbau durch Eisgang zerstört worden war. Sie illustriert nochmals die Bedeutung der 1609 eingeführten Religionsfreiheit. Katholische. Baumeister bauten damals evangelische. Kirchen, wie auch umgekehrt .
Unterhaltsam waren auch Anekdoten, die der Führer beisteuerte. So ist es dem damaligen Bürgermeister Konrad Adenauer 1929 nur durch die Stimmen der Kommunisten gelungen, die neue Mülheimer Brücke als die von ihm gewünschte Hängebrücke bauen zu lassen. Dazu hatte er vorgetragen, dass es in Leningrad keine Bogenbrücke gäbe und alle wesentlichen Brücken Hängebrücken seien. Dies sei bei den Kommunisten sehr gefragt und man wolle das übernehmen. Und auch noch ein zweites mal hatte Konrad Adenauer mit dieser Brücke zu tun. Sie war im Krieg zerstört worden. Nach dem Wiederaufbau wurde sie 1951 von Kardinal Frings und Bundeskanzler Adenauer wieder eröffnet. Da man sich nicht recht einigen konnte, ob denn wohl die weltliche oder die kirchliche Macht zuerst über die Brücke gehen sollte, wurde der Vorschlag von Kardinal Frings aufgegriffen, dass seine Haushälterin die erste sein sollte, welche die Brücke überschritt..
Im empfehlenswerten Cafe Vrejheit gegenüber der Friedenskirche konnten sich die Besucher dann von den tropischen Temperaturen erholen, bevor es mit der Eisenbahn wieder zurück gehen sollte. Das machte allerdings Probleme, da der Zug komplett ausfiel.

Leider wurde dies den Wartenden nicht mitgeteilt, so dass die BGV-Gruppe mit vielen älteren Mitgliedern in der großen Hitze eine ganze Stunde auf den nächsten Zug warten musste. Die nächste Reise wird sicher nicht per Bahn erfolgen!

(Text und Bilder: Dieter Forst)