Ruppichteroth – ein Ort zwischen den Konfessionen

Am 15. Juli 2017 trafen sich 35 Mitglieder und Gäste des BGV Oberberg in Ruppichteroth mit dem Historiker Hartmut Benz, einem Experten für Regionalgeschichte, der sich in Forschungsprojekten und mit seinen lehrreichen und  unterhaltsamen Vorträgen einen Namen gemacht hat. Der Rundgang sollte dem Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen im Laufe der Zeiten nachspüren, aber auch Trennendes aufzeigen.

An der katholischen Kirche St. Severin

Die Führung begann an der katholischen Pfarrkirche St. Severin, deren Baubeginn wie die Ersterwähnung des Ortes  ins 12. Jahrhundert fällt. Aus dieser Zeit stammt noch der mächtige Turm. Die Glocken wurden im 17. und 18. Jahrhundert von den Familien Stommel und von Scharrenberg gestiftet und entgingen der Einschmelzung im Zweiten Weltkrieg. Die Kirche selbst musste im 19. Jahrhundert aus statischen Gründen saniert und umgebaut werden, allein der Glockenturm wies eine Neigung von mehreren  Metern auf.

Im Kircheninnern stand neben einigen gotischen Heiligenfiguren (z.B. des Hl. Maternus) und dem Taufbecken aus dem 12. Jh. die Glasmalerei der Kirchenfenster im Vordergrund. Besonders das große Chorfenster aus dem frühen 16. Jahrhundert, das in einer Kölner Werkstatt angefertigt wurde, zeigt die Kunstfertigkeit der damaligen Meister in Farbgebung und Komposition. Neben der Muttergottes und  einer Kreuzigungsszene ist auch der Kirchenpatron St. Severin dargestellt.

Wertvolle Kirchenfenster im neugotischen Chor

Heimatgeschichtlich interessant ist der untere Teil des Fensters, der die Stifter darstellt. Hier ließen sich Bertram von Nesselrode mit Gemahlin und Engelbert von Scheid gen. Weschpfennig mit seinen beiden Ehefrauen verewigen. Die Stifter waren einflussreiche Fürsprecher des Ortes und hatten z.B. als Amtmann des Amtes Blankenberg, zu dem Ruppichteroth gehörte, gute Kontakte zur Regierung des Herzogtums Berg und sorgten für eine gute Ausstattung der Kirche mit Pfründen.

Ab 1590 gewann in Ruppichteroth die neue Lehre, wie man das Luthertum nannte, immer mehr Raum, sodass ihr bald fast zwei Drittel der Bevölkerung anhingen. Um eine dauerhafte Grundlage für das konfessionelle Zusammenleben zu finden, wurde im Religionsvergleich von 1672 im Herzogtum Berg entschieden, die Besitzverhältnisse und Gottesdienste des Jahres 1624 wiederherzustellen. Dabei hatten im katholischen Herzogtum die evangelischen Christen aber trotzdem oft das Nachsehen.

Ev. Kirche Ruppichteroth

Erst 1683 einigte man sich mit Unterstützung des Amtmannes von Gülich in Ruppichteroth auf den Bau einer evangelischen Kirche, ohne Kirchturm und fast ohne Geläut. Der jetzige Kirchturm wurde (mit Glocken) erst 1792 gebaut, und erst 1834 wurden die evangelischen Bürger von ihrer Abgabenpflicht gegenüber der katholischen Gemeinde befreit.

In Ruppichteroth lebten seit dem 18. Jahrhundert auch einige jüdische Mitbürger, die als Kaufleute, Viehhändler oder Metzger tätig waren. Sie gehörten zuerst der Kultusgemeinde in Nümbrecht an und beerdigten auch ihre Toten dort.

Da die Zahl der jüdischen Familien im 19. Jahrhundert zugenommen hatte, gründete man 1900 einen Verein für den Bau eines eigenen Bethauses. Es wurde 1921 in der Wilhelmstraße errichtet und ist die einzige noch erhaltene (ehemalige) Synagoge im Rhein-Sieg-Kreis. 1928 kam ein eigener Friedhof dazu. Diese Gemeinde wurde im Holocaust ausgelöscht, nur wenige Juden konnten oder wollten emigrieren, zumal sie im Ort gut integriert waren und intensiv am Gemeinschaftsleben teilnahmen.

In diesem Zusammenhang ist der Sanitätsrat Dr. Moritz Herzfeld zu nennen, ein aus Berlin stammender und  zum Protestantismus konvertierter Jude, der seit 1887 fast vier Jahrzehnte in Ruppichteroth als Arzt und Apotheker wirkte und ein kleines Sanatorium und Krankenhaus betrieb. Viele Ruppichterother kamen hier zur Welt und im Ersten Weltkrieg wurden hier viele Verwundete gepflegt. Herzfelds Wirken setzt sich aber auch heute noch im örtlichen Vereinsleben fort: Turn- und Bürgerverein wurden von ihm mitbegründet, jahrzehntelang wirkt er in ihnen in führender Position mit.

Die Stranzenburg bei Ruppichteroth

Das obligatorische Kaffeetrinken nach dem Ausflug in die Ruppichterother Religionsgeschichte fand in der sogenannten  Stranzenburg in Stranzenbach (zw. Ruppichteroth und Nümbrecht) statt, die der Kölner Architekt Wolfgang Lypold in vielen Jahren kreativer Arbeit aus einem alten Fachwerkhaus geschaffen hat. Das burgähnlich mit viel Fantasie und Liebe zum Detail konzipierte Gebäude wurde fast ausschließlich mit alten Baumaterialien errichtet, die z.B. aus sanierten Kirchen, Schlössern und Burgen oder Bürgerhäusern stammen. Antike Säulen und Kapitelle oder selbst gestaltete Brücken und Wasserspiele verleihen dem Garten seinen besonderen Reiz und bieten mit dem Haus eine imposante Kulisse für Feiern und Feste. Die Gruppe wurde im Garten von Frau Blume, die in Overath ihre Trödelscheune betreibt, liebevoll mit selbstgebackenem Kuchen und Kaffee versorgt.

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf