Zweitages-Exkursion des BGV Oberberg an die obere Ems

Trotz herbstlichen Wetters machten sich am 7. Oktober 2017 25 Mitglieder und Gäste des Bergischen Geschichtsvereins Oberberg zu einer zweitägigen Exkursion an die obere Ems auf. Diese Fahrt war von unserem Mitglied Jochen Ossenbrink geplant und organisiert worden. Leider konnte er selbst aus gesundheitlichen Gründen an der Reise nicht teilnehmen, aber dank der Informationen, die er uns zur Verfügung stellte, war bestens für Vor- und auch Nachbereitung gesorgt.

An unserer ersten Station, dem Kloster Marienfeld in Harsewinkel, wurden wir von Herrn Dr. Wolfgang Lewe vom Historischen Arbeitskreis des Heimatvereins Rheda schon erwartet. Seine Begleitung während der zwei Tage ermöglichte eine interessante und vielfältige Begegnung mit der Geschichte und Kultur zweier kleiner Territorien im Alten Reich. Die selbständige Herrschaft Rheda und die zum Fürstbistum Osnabrück gehörende Exklave Amt Reckenberg mit dem Hauptort Wiedenbrück mussten sich im Spannungsfeld der großen Politik immer wieder gegen Begehrlichkeiten viel mächtigerer Nachbarn behaupten.

Pater Gottfried Meier OSB und Führer Dr. Lewe empfangen die Gruppe vor Ort

Der Benediktinerpater Gottfried Meier stellte der Besuchergruppe in der Klosterkirche die Geschichte des Zisterzienserklosters Marienfeld vor. Von Widukind von Rheda 1185 gegründet und nach seinem Tod auf dem dritten Kreuzzug von den Edelherren und Grafen zur Lippe weitergeführt, entwickelte es sich zu einem wirtschaftlichen und religiösen Zentrum in dem an Klöstern nicht armen Gebiet. Neben ihren geistlichen Pflichten kümmerten sich die Mönche und Laienbrüder auch um die Urbarmachung der wasserreichen und oft sumpfigen Böden, sodass in guten Zeiten auch immer wieder Geld für die Erweiterung von Klosterkirche und Konvents- und Wirtschaftsgebäuden zur Verfügung stand. Bei seiner Auflösung 1803 besaß Marienfeld nicht nur erhebliche Barmittel und Grundbesitz, sondern verfügte auch über eine wertvolle Bibliothek mit mehreren Tausend Bänden.

Das Mittagessen wurde im Domhof Rheda eingenommen, einem stattlichen Fachwerkgebäude aus dem 17. Jahrhundert, bei dessen Restaurierung 1987 eine einzigartige Deckenmalerei der Lippe-Renaissance freigelegt werden konnte.

Bevor es zur Besichtigung des Residenzschlosses ging, führte uns Herr Dr. Lewe durch die Altstadt von Rheda, die leider in der Nachkriegszeit durch Flächensanierungen viel alte Bausubstanz verloren hat. Hierzu gehörte auch ein Besuch der evangelischen Stadtkirche, eines frühen protestantischen Gotteshauses in Westfalen. Mit einer eindrucksvollen Fürstenempore aus dem 18. Jahrhundert ausgestattet, unterstrich sie das reformierte Bekenntnis der damaligen Landesherren.

Das im 12. Jahrhundert erbaute und in den folgenden Jahrhunderten immer wieder veränderte Schloss, das die Handelsroute Münster-Paderborn am Emsübergang sichern sollte,  ist heute noch die Hauptresidenz der Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg. Im Mittelalter besaß die Hauptlinie des Geschlechts umfangreichen Güterbesitz im Rheinland und in Westfalen (u.a. die Grafschaften Bentheim, Tecklenburg, Lingen, Steinfurt und Limburg). Nach Erbteilungen und Gebietsverlusten (z.B. an Preußen) gehört der Nebenlinie Bentheim-Tecklenburg neben der Residenz Rheda heute noch Schloss Hohenlimburg bei Hagen.

Renaissande-Anbau am Schloss Rheda der Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg

Schon die beiden mächtigen Ecktürme des Schlosses unterstreichen den Herrschaftsanspruch erst der Edelherren zur Lippe und danach der Grafen von Tecklenburg (ab 1364)und Bentheim (ab 1557). Imposant präsentiert sich die aus dem 13. Jahrhundert stammende Burgkapelle, die noch heute für Fest- und Gedenk-Gottesdienste der Fürstenfamilie benutzt wird. Sowohl Weserrenaissance als auch das Barock haben Spuren in der Baugeschichte der Schlossanlage hinterlassen. Erwähnenswert sind auch noch die umfangreichen Park- und Gartenanlagen, die 1988 im Rahmen der Landesgartenschau teilweise neugestaltet wurden. Leider verhinderten Regenschauer einen Rundgang der Besuchergruppe. Fürst Maximilian und seine Frau Marissa Fortescue öffnen Schloss und Gärten für kulturelle Aufführungen und gesellschaftliche Veranstaltungen (z.B. „Frühling im Park“)

Am Morgen des zweiten Tages lud Frau Hoffmann zur Stadtführung in Wiedenbrück. Die Stadt, seit 1970 mit Rheda kommunal vereint, wurde schon unter den Ottonen mit Markt-, Münz- und Zollrecht ausgestattet. Die Fürstbischöfe von Osnabrück sahen in ihr ein Bollwerk, um ihre Exklave gegen Übergriffe der Nachbarn zu verteidigen. 1249 wurde Wiedenbrück durch eine Neustadt erweitert und unter den Schutz der Burg Reckenberg gestellt. Erst der Bielefelder Rezess sorgte für sichere Grenzen gegenüber der Herrschaft Rheda. Danach galt Wiedenbrück als Zentrum der Gegenreformation, 1644 wurde ein Franziskanerkloster gegründet.

Obwohl Reckenberg ein kleines Territorium war, blühten in ihm Handel und Gewerbe. Wiedenbrück galt als hochspezialisierte Handwerkerstadt, die u.a. seit dem 19. Jahrhundert für den Bau von Altären und sakralen Einrichtungen bis nach Übersee bekannt war. Traditionen und Fertigkeiten aus dieser Zeit werden noch heute in der Möbelherstellung genutzt. Neben der Goldschmiedekunst war, wie in der gesamten Region, auch die Garnherstellung eine wichtige Einnahmequelle. Selbst Leineweber aus der Grafschaft Ravensberg nutzten gern die Bleichwiesen vor dem Rhedaer Schloss.

Frau Gisela Jostkleigrewe und Herr Hans-Bernhard Vielstädte vom Heimatverein Herzebrock übernahmen danach die Führung durch das Kloster Herzebrock. Zunächst als Kanonissenstift ziemlich selbständig, geriet es seit 1208 als Benediktinerinnenkloster in eine immer stärkere Abhängigkeit vom Fürstbischof von Osnabrück, der in reformatorischer Zeit hier eine Chance sah, den Einfluss des evangelischen Landesherrn von Rheda zu schwächen. Das Kloster durchlebte wechselvolle Zeiten, neben friedlichen Perioden, in denen Herzebrock seine kulturelle und spirituelle Bedeutung steigern konnte, traten Kriegszeiten mit Plünderungen und Flucht der Nonnen ins befestigte Wiedenbrück. Seit der Aufhebung 1803 befindet sich das Kloster im Besitz der Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg.

Frau Jostkleigrewe erläutert den Kirchhof von Herzebrock

Nach dem Mittagessen im Landhaus Heitmann wartete die letzte Station der Reise auf die Teilnehmer. Herr Gottfried Pavenstädt-Westhoff, der Vorsitzende des Freundeskreises Propstei Clarholz e.V., führte die Gruppe durch die Gebäude des 1133 gegründeten Prämonstratenserstiftes. Neben dem männlichen Konvent entstand ein Frauenkloster in Lette. Die Propstei Clarholz profitierte von ihrer Lage an der Kreuzung zweier Handelswege, die neben Kaufleuten zahlreiche Pilger hierher führten. In nachreformatorischer Zeit konnte sie sich wie die anderen Klöster in der Herrschaft Rheda gegenüber dem Grafen von Bentheim-Tecklenburg behaupten und sogar landständische Rechte durchsetzen. Nach der Säkularisation der Propstei 1803 fiel der Besitz an die Grafenfamilie Bentheim-Tecklenburg, die heute noch die Propstei und die Wirtschaftsgebäude mit der Zehntscheune besitzt.

Zum Abschluss der Reise gab es als „Bonbönchen“ eine Einkehr der Gruppe auf dem Meierhof der Familie Pavenstädt-Westhoff, der über Jahrhunderte zur Propstei Clarholz gehörte. Frau Marion Pavenstädt-Westhoff erwartete uns mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen.

Wir danken an dieser Stelle recht herzlich allen Mitgliedern der örtlichen Heimatvereine,  die den abwechslungsreichen Ablauf dieser beiden Tage ermöglicht haben.

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf