Hansekaufleute und Burgherren – Besuch des BGV Oberberg in Attendorn

35 Mitglieder und Freunde des Bergischen Geschichtsvereins Oberberg machten sich am 18. August 2018 bei angenehmen Sommerwetter auf den Weg ins sauerländische Attendorn, um unter fachkundiger Führung von Gabriele Schmidt, der Vorsitzenden des Vereins für Orts- und Heimatkunde 1898, die dortige Altstadt näher kennenzulernen.

Empfang durch Gabriele Schmidt, Vorsitzende Heimatverein Attendorn

Attendorn erhielt 1222 vom Kölner Erzbischof Engelbert von Berg Stadtrechte nach Soester Vorbild. Der Ort wurde aber bereits 1072 erstmals urkundlich erwähnt, als Engelberts Vorgänger Anno II. das wichtige Kloster Grafschaft gründete und mit Landbesitz ausstattete. Hoch oberhalb des Ortes war um 1200 schon die Burg Schnellenberg errichtet worden, die als Grenzfestung zur Grafschaft Mark eine strategische Bedeutung für die Sicherung der später kurkölnischen Gebiete im Sauerland besaß.

Von den Landesherren tatkräftig gefördert, entwickelte sich Attendorn schnell zu einer prosperierenden Handwerkerstadt mit neun Zünften, besonders die Textilerzeugung spielte eine große Rolle. Die Lage an der Kreuzung zweier Fernstraßen, der Heiden- und der Königsstraße, lud zu einer schwunghaften Handelstätigkeit ein, die die Attendorner Kaufleute als mittelbare Mitglieder der Hanse – Soest vertrat die Stadt auf den Hansetagen – zu ausgedehnten Reisen in viele europäische Länder nutzten, wie Münzfunde in Skandinavien und Osteuropa belegen. Vom Reichtum der Attendorner Bürger künden auch fromme Stiftungen, 1420 wurde das Kloster Ewig von den Augustiner-Chorherren gegründet – der erste Abt kam aus dem Kloster Böddeken – 1429 erhielt es ein Armenhospital.

Die Stadt erlebte allerdings auch schlimme Zeiten, viermal wütete hier die Pest. Trotz einer starken Stadtbefestigung mit vier Stadttoren und zwölf Türmen litt Attendorn immer wieder unter kriegerischen Auseinandersetzungen. Im 18. Jh. gab es vier Stadtbrände, die nicht nur wertvolle Bausubstanz, sondern auch Archive von Stadt und Kirchengemeinde vernichteten.

Johanneskirche Attendorn

Nach einigen Erklärungen zum Alten Rathaus mit seinen Kaufmanns-Arkaden und seinem ehem. Ratssaal, in dem jetzt das Südsauerlandmuseum untergebracht ist, begann die Führung im sog. Sauerländer Dom, der Pfarrkirche St. Johannes Baptist. Der Glockenturm zeigt die drei Perioden der Baugeschichte, nämlich Romanik, Gotik und Barock. Den Innenraum prägt eine sehenswerte Barock-Ausstattung, obwohl der letzte verheerende Stadtbrand von 1783 auch hier Lücken gerissen hat. So verbrannte der gewaltige Hochaltar aus der Werkstatt der Bildschnitzer-Familie Johann und Peter Sasse. Von diesen Künstlern erhalten geblieben sind u.a. die prachtvolle Kanzel mit den Stifterwappen, darunter auch das der Familie Fürstenberg, die beiden kunstvollen Seitenaltäre und die mächtige Christophorus-Figur. Als einzige Relikte früherer Zeiten erscheinen der Taufstein aus dem 11. Jh. und die Pietà aus dem 14. Jh.

Der Weg führte weiter zum Neuen Rathaus, an dessen Stelle vorher die am Ende des 2. Weltkriegs beschädigte und danach abgerissene Franziskanerkirche stand. Der Orden wurde im Zuge der Rekatholisierung in Attendorn angesiedelt. Vorbei an der Erlöserkirche von 1913/14, die von der kleinen evangelischen Gemeinde genutzt wird, ging die Gruppe dann zu den beiden noch erhaltenen Türmen der 1812 abgebrochenen Stadtmauer.

Schützenmuseum im Bieketurm

Im Bieke-Turm aus dem 13. Jh. ist heute die Schützengesellschaft Attendorn 1222 mit ihren Fahnen, Brustpanzern und Schießscheiben untergebracht. Über viele Jahrhunderte waren die Schützen für die Stadtverteidigung zuständig. Eindrucksvoll und traditionsverbunden sind die sog. Iserköppe, Helme von drei angeblich im Dreißigjährigen Krieg den schwedischen Belagerern abgenommenen Rüstungen.

Auf dem Rückweg zum Bus kamen wir auch zum ehem. jüdischen Wohnbereich. Schon seit dem 15. Jh. lebten in Attendorn jüdische Familien als Kaufleute und Händler, Metzger, Geldverleiher, später auch als Fabrikanten. Für die Gemeinde gab es ein eigenes Bethaus. Im Nationalsozialismus wurde sie ausgelöscht. An das Schicksal ihrer Mitglieder erinnern 14 Stolpersteine.

Die Gruppe fuhr anschließend zur Burg Schnellenberg, wo uns Peter Höffer vom Südsauerlandmuseum durch die majestätische Festungsanlage führte. Nachdem der kurkölnische Landdrost Caspar von Fürstenberg 1594 die schon etwas verfallene Burg der kurkölnischen Lehnsmänner Vogt von Elspe und von Schnellenberg gekauft hatte, begann er mit umfangreichen Restaurierungs- und Erweiterungsarbeiten, um sie zu einem repräsentativen Renaissance-Wohnsitz für sich und seine Erben zu gestalten. Sie befindet sich heute noch im Besitz des Hauses Fürstenberg-Herdringen und wird als Hotel und Restaurant geführt.

Altar aus Alabaster und schwarzem Marmor

Ein besonderes Highlight ist die um 1600 eingerichtete St. Georgs-Kapelle in der Oberburg, die noch im Originalzustand erhalten ist. Der prächtige Altar wurde von Caspars Bruder Dietrich von Fürstenberg, dem Bischof von Paderborn und Erbauer der Wewelsburg, gestiftet. Der Kapelle gegenüber lag ein mit wunderbaren Stuckdecken geschmückter Raum, von dem aus die Gäste der Familie der Messe folgen konnten.

Danach ging es auf den Dachboden der Burg. Hier konnte man einen mächtigen hölzernen Dachstuhl bewundern, unter dem viel Speicherraum für Vorräte zur Verfügung stand. Eine imposante Gerichtslaube und ein standesgemäßer Rittersaal mit einem aus der Adolfsburg übernommenen kunstvoll verzierten Weinschrank unterstrichen Macht und Ansehen der Burgherren.

Den Abschluss der Führung bildete ein Besuch in der im ehemaligen Marstall eingerichteten Traukapelle in der Vorburg. Für das anschließende Kaffeetrinken blieb leider nur wenig Zeit, so dass nicht jeder Fahrtteilnehmer in den Genuss von Kaffee und Kuchen kam. Der Verein gelobt Besserung und hat sich Nachschulungen in Sachen Zeitmanagement auferlegt.

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf