Christianisierung im Bergischen Land – ohne Feuer und Schwert

Am 1. April 2022 fand – wegen der Corona-Pandemie erst im dritten Anlauf – in der CulturKirche Osberghausen ein gutbesuchter Vortrag des Kölner Kirchenhistorikers Dr. Joachim Oepen statt, der sich mit dem Thema „Export romanischer Kirchen ins Bergische? Die Christianisierung im Bergischen Land“ befasste. Dr. Oepen ist stellvertretender Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums Köln und ein profunder Kenner der Kölner Kirchen- und Stadtgeschichte.
Sein Vortrag stellte sich der Frage, wie das Christentum ins Bergische kam, welche religiösen und gesellschaftlichen Kräfte hier am Werke waren und welche Auswirkungen die Christianisierung für die religiöse und wirtschaftliche Entwicklung in unserer Region hatte. Gleich am Anfang seines Vortrages verwies der Referent auf die schwierige Quellenlage im Frühmittelalter. Während die Spätantike bis ins 4. Jh. noch zahlreiche Zeitzeugnisse vorwies, wurde die schriftliche Überlieferung in den folgenden Jahrhunderten deutlich unschärfer. Auch gingen Urkunden im Laufe der Jahrhunderte verloren oder wurden bewusst vernichtet. Abhilfe und Ergänzung brachten u. a. die Erforschung der noch greifbaren Bodendenkmäler durch weiterentwickelte Forschungsmethoden und die Untersuchung von Flur- und Ortsnamen.

Dr. Oepen erklärt die frühe Christianisierung von der Rheinschiene ins Bergische

Das Oberbergische Land war in der ausgehenden Römerzeit und im frühen Mittelalter keine bevorzugte Siedlungsgegend. Von der Topographie her hügelig und zerklüftet, mit sumpfigen Flusstälern, vom Klima her eher kühl und feucht, von der Bodenqualität eher steinig und wenig ertragreich, machten die Menschen – von wenigen Einödhöfen abgesehen – eher einen Bogen um das Bergische Land und zogen lieber in die fruchtbareren und milderen Täler an Rhein und Mosel, aber auch an Lippe und Ruhr.
Wie kam es dennoch zur Christianisierung des Bergischen Landes. Jedenfalls anders als in den nördlich gelegenen Gebieten der Sachsen, die als eigener großer germanischer Stamm eine andere kulturelle und religiöse Identität als die rivalisierenden Franken entwickelt hatten und davon nicht lassen wollten. Die Folge war ein jahrzehntelanger blutiger Krieg, der erst im frühen 9. Jahrhundert mit der gewaltsamen Bekehrung der Sachsen endete.
In seinem Vortrag zeigte Dr. Oepen, dass im Bergischen die wirtschaftliche und religiöse Erschließung weniger spektakulär und in größeren zeitlichen Dimensionen verlief. Schon in der Spätantike hatte sich der Kölner Raum als religiöses Zentrum des frühen Christentums im Rheinland etabliert. Bis zur Jahrtausendwende entstanden neben dem Sitz des Erzbischofs, der in der mittelalterlichen Reichspolitik immer eine einflussreiche Größe darstellte, Klöster und Stifte, die sich in den Namen der romanischen Kirchen widerspiegeln.
Sie entstanden oft an den Gräbern von Glaubenszeugen und Märtyrern und entwickelten eine enorme religiöse Anziehungskraft, die sich auch in einem fortschreitenden wirtschaftlichen Aufblühen niederschlug. Könige und Kaiser, aber auch andere Fürsten, die in ihnen eine Stütze ihrer Herrschaft und Landesverwaltung sahen, statteten sie mit großzügigen Schenkungen aus. Weltliche Grundherren übertrugen den Stiften testamentarisch Teile ihrer Güter, damit in den Kirchen für ihr Seelenheil gebetet wurde. Auch frischgebackene Stiftsherren oder -damen, die bis ins Spätmittelalter aus angesehenen Adelsgeschlechtern stammten, mussten sich gewissermaßen einkaufen und ihr Erbteil der klösterlichen Gemeinschaft übertragen.
Auf diese Weise erwarben die Stifte von St. Severin, St. Aposteln oder auch St. Ursula in Köln und das Bonner St. Cassius-Stift, dessen Probst rangmäßig direkt nach dem Kölner Erzbischof kam, auch in unserer Region ansehnliche Besitztümer, die den Stiften gegenüber abgabenpflichtig (Geld, Naturalien oder Hand- und Spanndienste) waren. Für die Hintersassen dieser Grundherrschaften ergab sich aus dieser Zugehörigkeit zu einer stärkeren Gemeinschaft aber auch eine gewisse Rechtssicherheit. Ich erinnere hier an die berühmte Urkunde von 1131, in der Papst Innozenz II. auch oberbergische Besitzungen des Cassius-Stiftes bestätigte und unter seinen Schutz stellte.
Um zur Eingangsfrage zurückzukommen: Es wurden keine romanische Kirchen ins Oberbergische exportiert, bis zur Jahrtausendwende sind keine Kloster- oder Bischofskirchen nachweisbar, die Besiedelung des Raumes verbesserte sich nur langsam. Die Stiftsherren bestanden auf ihren Abgaben, um den Ausbau ihrer eigenen Stiftskirchen in Köln und Bonn finanzieren zu können, die sich zu bedeutenden Pilgerzielen entwickelt hatten. Dabei schreckten sie auch nicht vor Urkundenverfälschungen zurück, wie das Dokument der Ersterwähnung von Hohkeppel zeigt. Sie verstanden nicht, warum die Erträge hier geringer waren als in ihren andern Gütern, und waren wohl auch deswegen nicht bereit, in dieser Region viel Geld in Kirchenbauten zu stecken.
So blieben die Kirchen und Kapellen im Bergischen klein: erst Gebäude aus Holz, dann eher steinerne Saal- als Hallenkirchen. Das erste bedeutende Kloster der Region war die Abtei Siegburg, eine Gründung des Kölner Erzbischofes Anno II. im 11. Jh. Der Einfluss der Stifte auf die Kirchenpolitik im Oberbergischen währte allerdings noch viele Jahrhunderte: St. Severin bestimmte bis zu seiner Auflösung 1802 den Pfarrer in Lindlar.

Der Ehrenvorsitzende dankt mit Band 12

Diakon Patrick Oetterer und der BGV-Ehrenvorsitzende Dr. Alexander Rothkopf bedankten sich beim Referenten für den interessanten Ausflug in diese in der Öffentlichkeit weniger bekannte Epoche unserer Heimatgeschichte. Dr. Rothkopf verwies auf die Arbeiten von Klaus Pampus über die urkundliche Erstnennung oberbergischer Ortsnamen und über die Besitzungen des St. Ursula-Damenstiftes (Bd. 8 der „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“).
Weiterführende Informationen gibt es auch im Bd. 1 der „Geschichte des Bergischen Landes“. Hier hat Dr. Oepen wieder eine Frage gestellt: „Das Bergische Land – eine Klosterlandschaft?“ Sehr lesenswert!
Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

Klicken Sie auf das erste Bild, und die Bildergalerie öffnet sich mit vergrößerten Abbildungen!