500 Jahre osmanisch europäische Beziehungen

Der Bergische Geschichtsverein hat die 500. Wiederkehr der Vertreibung des Johanniter-Ordens von der Insel Rhodos durch den osmanischen Sultan Süleyman d. Prächtigen zum Anlass genommen, den Historiker Dr. Klaus-Jürgen Bremm zu einem Vortrag über die Geschichte der europäisch-türkischen Beziehungen einzuladen. Der Referent hat im letzten Jahr ein vielbeachtetes Buch zu diesem Thema veröffentlicht. Mehr als 30 Mitglieder und Freunde des BGV trafen sich am 21. September 2022 im Ratssaal in Engelskirchen und erlebten eine kenntnisreiche Darstellung dieser Epoche, die Europa mitgeprägt hat.
Die Geschichte der Türkei und besonders ihr Verhältnis zu Europa stand in den ersten Jahren des 21. Jh. im öffentlichen Interesse, als sich die Türkei um den Beitritt zur Europäischen Union bemühte. Bremm verwies zu Beginn seines Vortrages auf den Historiker Hans-Ulrich Wehler, der ein entschiedener Gegner der Aufnahme war. Die Türkei habe sich seit 450 Jahren in einer permanenten Gegnerschaft zum europäischen Abendland befunden und dieser Eindruck habe sich bis heute im kollektiven Gedächtnis beider Kontrahenten verfestigt.
Bremm lehnte diese Argumentation als zu holzschnittartig und falsch ab. Zum einen habe es sicher nach der Eroberung Konstantinopels 1453 einen permanenten militärischen und politischen Druck auf die Völker des Balkans gegeben. Besonders der schon erwähnte Sultan Süleyman verfolgte mit der Eroberung Ungarns 1527 und der Belagerung Wiens 1529 eine Politik, die zwar die Interessen Kaiser Karls V. und seiner habsburgischen Erblande massiv berührte. Für einen andauernden Vorstoß nach Mittel- und Westeuropa waren die türkischen Kräfte allerdings zu schwach. Für die Gegner der Habsburger, besonders Frankreich, war der neue Player an der Südostflanke aber ein willkommener Verbündeter, um deren Vormachtstreben zu begrenzen.
Im Kollektivgedächtnis der Europäer blieb aber nicht die „Gottesgeißel“, die Luther in der Türkengefahr sah, sondern nach dem Scheitern der 2. Belagerung von Wien 1683 und dem zunehmenden Verfall der osmanischen Machtstellung das vom russischen Zaren Nikolaus I. geprägte Bild des „kranken Mannes am Bosporus“. Selbst der österreichische Staatskanzler Metternich, dem nach dem Wiener Kongress an stabilen Verhältnissen auf dem Balkan gelegen war und der ein Gegengewicht gegen Russland und Preußen brauchte, unterstützte das Osmanische Reich und trieb damit die enttäuschten Balkanvölker in die Arme Russlands.
Das Interesse Europas bezog sich jetzt eher auf die orientalischen Besonderheiten des türkischen Nachbarn, den man weniger als vollwertigen Konkurrenten, sondern eher als manchmal lästigen Plagegeist empfand. Die Kultur blieb fremd und exotisch, in Erinnerung blieben u. a. Kaffeehaus und Janitscharenmusik (mit den Rossschweifen am Schellenbaum). Die Aufklärung aber verachtete das fremde Gesellschaftssystem komplett und unterstützte eher den Freiheitsdrang der Griechen.
Bremm beschrieb das Osmanische Reich als multiethnischen Staat, im Gegensatz zur auf türkischem Nationalismus basierenden modernen Türkei. Die Sultane regierten ihr Riesenreich mit Großwesiren und Wesiren, die aus den unterschiedlichsten nichttürkischen Volksgruppen kamen. Der privilegierte Handel mit Europa blühte, im Schiffsbau, der Waffentechnologie und der Architektur profitierte man von ausländischen Spezialisten. Die eigene Wirtschaft blieb allerdings rückständig.
Die heutigen Schwierigkeiten in den türkisch-europäischen Beziehungen sind anders gelagert. Neben Zypernkonflikt, Kurdenproblematik und dem Umgang mit Presse- und Meinungsfreiheit spielt auch wieder die marode Wirtschaft, die einen erheblichen finanziellen Anschub benötigt, eine große Rolle. Und auch eine Bevölkerung von 90 Mio. Moslems könnte ihren politischen und kulturellen Anteil in Europa fordern.
Erwähnt werden soll auch noch, dass in den Türkenkriegen des 16. Jh. ein kaiserlicher General eine bedeutende Rolle spielte. Der auf Schloss Gimborn geborene Adolf von Schwarzenberg eroberte 1598 die an die Osmanen gefallene Festung Raab zurück und wurde von Kaiser Rudolf II. mit Besitztümern und dem erblichen Reichsgrafentitel belohnt – ein wichtiger Schritt beim Aufstieg des Hauses Schwarzenberg.

Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

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