Am 18. Januar erinnert der Bergische Geschichtsverein an ein Ereignis, das in mehrfacher Hinsicht für Oberberg bedeutend war: Heute vor 150 Jahren wurde nach dem siegreichen deutsch-französischen Krieg im Spiegelsaal von Schloss Versailles Wilhelm König von Preußen (1797-1888) zum Deutschen Kaiser proklamiert. Mit dem Deutschen Kaiserreich formte sich aus den deutschen Kleinstaaten erstmals ein Deutscher Nationalstaat. Dieser feste äußere Rahmen ermöglichte eine beispiellose wirtschaftliche und gesellschaftliche Prosperität, die auch in Oberberg sichtbar wurde und gemeinhin unter dem Begriff Gründerzeit bekannt ist. 1871 hatte Gummersbach 5.539 Einwohner, im Jahr 1900 bereits 10.000 – fast eine Verdopplung in 30 Jahren.
Dieses Deutsche Reich, welches heute von vielen als Hort des preußischen Militarismus angesehen wird, entstand aus dem 1870/71er Krieg. Den ersten Franzosen erschossen haben soll ein Oberberger: der Füsilier Wilhelm Kraus aus Reinshagen. So steht es hinter seinem Namen auf dem Kriegerdenkmal in Morsbach-Holpe. Der Waldbröler Heimathistoriker Kurt Hamburger hat für den Geschichtsverein recherchiert, dass der in Bohlenhagen geborene Kraus mit den deutschen Truppen am 19. Juli 1870 bei Saarbrücken über die Grenze ging und aus 300 Schritten Entfernung einen französischen Infanteristen erschoss. Aus Berlin bekam er dafür eine Prämie von 30 Talern, die auf den ersten getöteten Franzosen ausgesetzt war. Nur knapp zwei Wochen später ist Kraus im Alter von 23 Jahren selbst gefallen. Auch an anderen oberbergischen Kriegerdenkmälern findet man Hinweise auf den Krieg von 1870/71. Am Ende dieses Krieges stand die pompöse Kaiserproklamation, die die Gründung des neuen Staatswesens symbolisierte. Die Reichsverfassung war schon zum 1. Januar in Kraft getreten. Der Titel Deutscher Kaiser und eben nicht „Kaiser von Deutschland“ zeigt deutlich den föderalen Charakter. Es war ein Bund von 22 Fürsten und den drei freien Städten Hamburg, Bremen und Lübeck.
Das Gemälde des Hofmalers Anton von Werner zeigt auf dem Podest in der Mitte Kaiser Wilhelm I. Rechts von ihm bringt mit erhobener Hand der Großherzog von Baden ein Hoch auf den Kaiser aus, links von ihm Kronprinz Friedrich, der spätere Kaiser Friedrich III. Rechts vom Großherzog der Kriegsminister Albrecht Graf von Roon. In weißer Uniform dargestellt ist Otto Fürst von Bismarck, rechts daneben Generalfeldmarschall Helmut Graf von Moltke. Vielen Gummersbachern dürften diese Namen von ihrer Adresse her bekannt vorkommen. Ein Gummersbacher Landrat konnte sogar sagen: „Mein Vater und mein Onkel sind dabei gewesen.“ Friedrich Ludwig von Sybel (1844-1927) war von 1875 bis 1885 Landrat des Kreises Gummersbach. Sein Vater war der preußische Hofhistoriker Heinrich von Sybel. Dieser schrieb zwischen 1889 und 1894 ein siebenbändiges Werk: „Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.“ Auch der Bruder seines Vaters, Ministerialrat Alexander von Sybel, gehörte zur preußischen Delegation, die Wilhelm I. in Versailles den Wunsch vortrug, die Krone anzunehmen.
Die Maske auf dem nachträglich coronakonform gestalteten Bild hätte der Kaiser übriges zurecht getragen. Ein großes Unwohlsein ist verbürgt, er war wohl erkältet. Er hat nur relativ kurz an der Versammlung teilgenommen und sich dann zurückgezogen. Überhaupt der Künstler des berühmten Gemäldes, hier die Friedrichsruher Fassung, die 1885 entstand und ein Geschenk zu Bismarcks 70 Geburtstag war: Anton von Werner. Er heiratete am 22. August 1871 Malvine Schroedter, die Tochter der 1820 in Gummersbach geborenen Malerin Alwine Heuser, Enkelin von Johann Peter Heuser.
Nicht umsonst ist der Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck in der Mitte des Gemäldes in weißer Paradeuniform dargestellt, die er zwar nie getragen hat, aber dem Betrachter des Bildes seine Bedeutung klar macht. Und diese ist ausschlaggebend für die ganze Angelegenheit der Reichsgründung. Denn Kaiser Wilhelm musste von Bismarck mehrfach „zum Jagen getragen werden“, um die Kaiserkrone überhaupt anzunehmen.
Natürlich wurden später im Oberbergischen von den zahllosen Kriegervereinen am 18. Januar sogenannte Reichsgründungsfeiern ausgerichtet, auch wenn Theodor Fontane später schrieb, „bei uns ist immer achzehnter“ – im Hinblick auf das ständige preußische Säbelrasseln und die Freude an Paraden und Uniform. Dieses nahm, mit einem gewissen Chauvinismus gepaart unter Wilhelm II. zu und so wird heute der oft zitierte Satz, „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben“ von vielen heute auf Kaiser Wilhelm II. bezogen. Dieser Spruch stammt aber aus den ersten Regierungsjahren Kaiser Wilhelms II. und meint natürlich Kaiser Wilhelm I.
Der neue deutsche Kaiser Wilhelm I. war verheiratet mit Kaiserin Augusta (1811-1890) einer geborenen Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Sie liebte das Rheinland, hatte fast zehn Jahre in Koblenz verbracht, als ihr Mann noch als Kronprinz Generalgouverneur der Rheinprovinz war. Als Kammerherr und später als Oberhofmeister diente der Kaiserin ein Oberberger: Bertram Maximillian Graf von Nesselrode-Ehreshoven (1817-1898).
Der 18. Januar bezeichnete auch schon einmal in der preußischen Geschichte ein herausragendes Ereignis: Im Jahr 1701 krönte sich der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. mit Zustimmung des Kaisers selbst zum preußischen König (Friedrich I.). Die Krönung fand in Königsberg außerhalb des Reichsgebietes im Herzogtum Preußen statt und galt nur für die hohenzollerischen Besitzungen außerhalb der Reichsgrenzen, im Reich konnte es nur einen römisch-deutschen König geben und das war Kaiser Leopold I. Diese für Preußen eher lästige Bestimmung geriet aber schnell in Vergessenheit, neben Königsberg wurde besonders Berlin zur königlichen Residenz ausgebaut. Die Habsburger aber, die sich mit dieser Erlaubnis die Unterstützung Preußens im Spanischen Erbfolgekrieg erkauft hatten, erkannten zu spät, dass hier für die Zukunft ein gefährlicher Konkurrent im Reich entstanden war, denn die preußische Königskrone vereinte unter Friedrich II. die in Deutschland weitverstreuten Territorien der Hohenzollern zu einem effektiven und schlagkräftigen Staat.
Nicht zufällig führt ein weiterer 18. Januar zurück ins Schloss von Versailles, hier treffen sich im Jahre 1919 die Siegermächte des Ersten Weltkriegs, um ohne Beteiligung der geschlagenen Gegner die Friedensbedingungen zu bestimmen. Frankreich will hier seine Schmach von 1871 getilgt sehen, für die junge Weimarer Republik und den Frieden in Europa bedeutet der Versailler Vertrag aber eine schwere Hypothek.
Text: Marcus Dräger + Harald Meißner Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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