Motoren bewegen die Welt – BGV Oberberg besucht die Motorensammlung der Deutz AG

Geschichten, die das Leben schreibt: Ein Handlungsreisender aus einem Taunus-Dorf, Autodidakt und ohne Ingenieur-Studium, sorgt mit dafür, dass Köln in der Motorentechnik zum Nabel der Welt wird. Sein technischer Direktor Gottlieb Daimler und dessen Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach lassen später im Württembergischen den Mercedes-Stern am Automobil-Himmel erstrahlen. In der Autoabteilung des Kölner Unternehmens beginnt Ettore Bugatti seine Laufbahn, seine Entwicklungen sind heute noch legendär.

Firmengründer Eugen Langen

Firmengründer Nicolaus August Otto

Der BGV Oberberg besuchte mit 18 Mitgliedern und Freunden am 26. Mai 2023 die weltberühmte Motorensammlung der Deutz AG in Porz-Eil und ließ sich aus berufenem Mund Eigenschaften und Wirkungsweise der in anderthalb Jahrhunderten gesammelten Exponate erläutern. Die Sammlung wird auf drei Ebenen im umgebauten Technikum übersichtlich und mit zahlreichen, auch dem Laien gut verständlichen Erklärungen präsentiert.
In der Chronologie am ältesten ist der Gasmotor des Luxemburgers Etienne Lenoir von 1860. Schon mit ihm gelang ein bedeutender Durchbruch gegenüber den damals gebräuchlichen Dampfmaschinen. Deren Betrieb in Handwerk und Gewerbe musste jeden Tag langwierig vorbereitet werden, der Platzbedarf war enorm und es gab auch ein Sicherheitsproblem.
Unserem Autodidakten Nicolaus August Otto, der auf seinen Geschäftsreisen immer die Langsamkeit der Postkutschen beklagt hatte, schwebte ein Antrieb vor, der nicht nur als stationäre Kraftquelle, sondern auch als neues Fortbewegungsmittel genutzt werden konnte. 1864 gründete er mit Eugen Langen, einem begabten Ingenieur, Konstrukteur (Wuppertaler Schwebebahn) und Unternehmer, der auch in der Zuckerindustrie (Pfeiffer & Langen – „Kölner Zucker“) tätig war und wohlhabend wurde, sein erstes Unternehmen. Die von ihm entwickelte und auf der Pariser Weltausstellung 1867 vorgestellte „Atmosphärische Gaskraftmaschine“ wurde vom nach preiswerten Energiequellen lechzenden produzierenden Gewerbe begeistert aufgenommen, der Motor brauchte nicht viel Platz, war genügsam und bekam seinen Treibstoff aus dem städtischen Gasnetz.
1876 folgte „Otto´s Neuer Motor“ mit seiner bis heute in Verbrennungsmotoren gebräuchlichen Viertakt-Technik. Die Motoren fanden nicht nur in Europa, sondern auch in der Neuen Welt reißenden Absatz. Der Übergang zur Mobilität kam 1884 mit der Erfindung der Niederspannungs-Magnetzündung, die Motoren konnten jetzt auch mit Flüssigkraftstoffen betrieben werden. Die Gasmotoren-Fabrik Deutz hatte es aber leider unterlassen, sich diese Erfindung patentieren zu lassen, deswegen machte ein anderer das Geschäft mit Zündkerzen – Robert Bosch.
Ähnliche vermeidbare Probleme handelte man sich ein, als die Erfindung des Dieselmotors in ihrer Bedeutung zu spät erkannt wurde. Rudolf Diesel ließ seine Motoren bei der Maschinenfabrik Augsburg produzieren und die Deutzer mussten bis zum Ablauf des Patentes 1908 warten. Danach aber folgte ein unvergleichlicher Siegeszug. Bis 1911 hatte das Unternehmen die Direkteinspritzung beim Dieselmotor entwickelt.
Bugattis Autos waren allerdings ein – wirtschaftlicher, nicht aber technischer – Flop: Sie waren zu schwer, zu teuer und verbrauchten Unmengen an Kraftstoff – bei einem damals nur sehr lose gespannten Tankstellen-Netz.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte das Unternehmen auf Expansion. Ab 1926 bereicherte man die Landtechnik, die schon für die Standmotoren zahlreiche Anwendungen gefunden hatte, mit Dieseltraktoren, 1936 wurde mit der Ulmer Magirus, deren Emblem noch heute das Deutzer Firmensymbol ziert, der Einstieg in die Nutzfahrzeugsparte geschafft.

Keimzelle der Weltmotorisierung

Unter einem Dach wurden Lastwagen, Busse und Fahrzeuge für die verschiedensten Anforderungen gefertigt.
Vor dem heraufziehenden Zweiten Weltkrieg entstand auch eine Produktion von Militärfahrzeugen. Deren bisher übliche Wasserkühlung reichte nicht mehr für den Einsatz in sehr unterschiedlichen Klimazonen, 1944 kamen die ersten luftgekühlten Motoren auf den Markt. Monate später lagen die Fabriken in Köln in Trümmern.
Der Wiederaufbau setzte schon 1946 ein. Das Land brauchte Traktoren und Lokomotiven und Maschinen für den Bergbau, 1949 kam die Dieselmotoren-Produktion wieder auf Touren. Das Wirtschaftswunder füllte auch die KHD-Kassen, 1967 entstand ein neues Forschungszentrum in Porz.
Bisher war die Firma ein Allrounder gewesen, in den 70er Jahren erkannte man aber, dass Investitionen und Entwicklungskosten in derart vielen Sparten den Unternehmensgewinn auffressen würden. Deutz besann sich auf seine Kernkompetenz, die Motorentechnik, die Nutzfahrzeuge wurden Teil der mit Fiat gegründeten Iveco, 1995 ging die Deutzer Agrartechnik an die italienische SAME. In beiden Fällen blieb das Kölner Unternehmen aber Motorenlieferant, Lieferverträge mit Volvo und chinesischen und türkischen Partnern sorgten daneben für eine stabile Auslastung und die nötigen F&E-Mittel. Vor dem Hintergrund der E-Mobilität befasst sich die Deutz AG, wie sie seit 1997 heißt, in den Folgejahren mit Hybridmotoren (Strom/Diesel). Auch mit Wasserstoff und Rapsöl wird experimentiert.

Von alldem hat Nicolaus August Otto nichts mehr mitbekommen, aber es war seine Vision. Die Stadt Köln ehrte die Firmengründer in ihrer „Ruhmeshalle“ auf dem Kölner Rathaus-Turm, die Auto-Community nahm Otto 1996 in die „Automotive Hall of Fame“ in Detroit auf – Anerkennung für ca. 1,3 Mrd. gefertigte Verbrennungsmotoren, die auf sein Wirkprinzip zurückgehen.
Die Motorensammlung, in der Corona-Zeit noch um Groß- und Mittelmotoren – u.a. aus dem Schiffsbau und Kraftstationen – bereichert, umfasst mehr als 60 hochwertige Exponate. Ein großer Teil steht als Nationales Kulturgut unter dem Schutz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch dem seit 2009 bestehenden Förderverein zu verdanken, dass eine wichtige Triebfeder der Industrialisierung erhalten geblieben ist und für zukünftige Generationen anschaulich gemacht wird. Wer die Gaskraftmaschine von 1867 in Betrieb sieht, ahnt wie schwierig, aber auch wie faszinierend technologischer Fortschritt sein kann.
Text und Fotos: Harald Meißner

https://www.deutz.com/ueber-uns/tradition-und-kultur/technikum

https://fmd.koeln/foerderverein.html

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