Am 17. Juni 2023 besuchte der BGV Oberberg mit ca. 20 Mitgliedern und anderen Geschichtsfreunden das ehemalige Golddorf Marienhagen. Das Höhendorf, verkehrsgünstig an einem Abzweig der Brüderstrasse gelegen, schaut auf eine lange Besiedlungsgeschichte zurück, die wahrscheinlich bis zur vorletzten Jahrtausendwende zurückreicht. Ein wesentlicher Impuls für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in der Region ging vom Wirken des Johanniterordens aus, bereits um 1170 wurde auch auf Betreiben des Grafen Engelbert I. von Berg eine Kommende auf Schloss Burg gegründet, die weit in die bergischen Gebiete ausstrahlte. Neben der Ordensniederlassung Herrenstrunden, die später sogar zur Ballei erhoben wurde, entstand im ausgehenden 13. Jh. auch eine Filiale in Marienhagen. Die Ordensbrüder hatten nicht nur eine seelsorgerische Funktion, sondern brachten auch solide Kenntnisse in Landwirtschaft und Handwerk mit. Daneben stabilisierten sie auch die Herrschaft ihrer Landesherrn, der Grafen von Berg und von Sayn.
Pfarrer Achim Schneider von der ev. Kirchengemeinde Marienhagen-Drespe ist Hausherr des heute noch Johanniter-Kirche genannten Gotteshauses in Marienhagen. Ausführlich erläuterte er der Gruppe dessen Baugeschichte.
Schon vor den Johannitern gab es hier einen romanischen Vorgängerbau aus dem frühen 13. Jahrhundert, aus dieser Zeit ist der massige Westturm erhalten geblieben. Die Ordensbrüder ersetzen den restlichen Bau durch eine einschiffige frühgotische Hallenkirche, die sie mit prächtigen Fresken ausschmücken ließen. Im Vergleich mit anderen Bunten Kirchen im Oberbergischen weisen sie einen eleganteren und feineren Stil auf, u.a. mit deutlicher Anlehnung an byzantinische Vorbilder und an Kölner Maltraditionen. Auch fehlen drastische Darstellungen des Jüngsten Gerichtes. Die meisten erhaltenen Bilder befinden sich im Chorraum. Neben der Darstellung von Aposteln und Evangelisten mit ihren jeweiligen Symbolen dominiert die leider nur sehr bruchstückhaft erhaltene Marienkrönung das künstlerische Geschehen. Szenen aus dem Leben Jesu runden das Bild ab.
Auch in anderen Teilen der Kirche finden sich noch teilweise aus dem 16. Jh. stammende Malereien, deren Bedeutung nicht immer klar ist. Die Kirche wurde in Mittelalter und früher Neuzeit auch als Begräbnisstätte genutzt, wie eine erhaltene Grabplatte der homburgischen Amtleute von Bieberstein beweist.
Nach der Einführung der Reformation wurde der Ordensbesitz der Johanniter von den Grafen von Sayn erworben und der Kirchengemeinde Marienhagen übergeben, die mit den Einkünften Pfarrer, Lehrer und die Armenfürsorge finanzierten.
Hatten die lutherisch geprägten Landesherrn in Homburg noch die Bilder in Kirchen weitgehend geduldet, änderte sich unter der Regierung des reformierten Hauses Sayn-Wittgenstein das Kirchenregiment. Zwischen 1620 und 1630 wurden die Malereien übertüncht, man entdeckte sie erst 1907 bei einer umfassenden Renovierung des Kirchenbaus wieder. Zwischenzeitlich hatten die Kunstwerke aber massiv gelitten, da seit dem 18. Jahrhundert im Chor ein großes Ensemble mit Altar, Kanzel und Orgelempore aufgebaut war. Dabei waren große Teile der übertünchten Fresken unwiederbringlich zerstört worden.
Der Restaurator von 1907, der bekannte Kunstmaler Anton Bardenhewer, hatte die Idee, die fehlenden Teile im Stil des 14. Jh. zu ergänzen und somit dem Betrachter ein annäherndes Bild des Originalzustandes zu bieten. Pfarrer Schneider zeigte während seines Vortrages in der Kirche zahlreiche neuentdeckte Fotos aus dieser Zeit, die Original und Ergänzungen eindrucksvoll dokumentieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah die Denkmalpflege solche historisierenden Eingriffe sehr kritisch und ordnete in den späten 1950er Jahren ihre Entfernung an. Zwar ist jetzt der Zustand der Entstehungszeit wiederhergestellt, aber das geistige Auge braucht sehr viel Fantasie und Einfühlungsvermögen.
Am Ende der Führung berichtete Pfarrer Schneider noch von seinen Bemühungen, die Lücken in der Kirchengeschichte seiner Gemeinde zu schließen. Bisher sei es ihm nicht gelungen, eine Gründungsurkunde der Johanniter-Kirche zu finden; hier bat er den Bergischen Geschichtsverein um Mithilfe bei der Suche in Archiven.
Horst Rau, Presbyter und Baukirchmeister in Marienhagen, wies auf die umfangreichen Investitionen in den Erhalt der Bunten Kirche hin. Die Reinigung der Fresken und die Erneuerung von Orgel und Glocken hätten große Summen verschlungen, die die Gemeinde nur dank ihres Waldbesitzes aus der Johanniterzeit finanzieren konnte.
Pfarrer Schneider, dem wir herzlich dafür danken, dass er sich die Zeit für einen hochinteressanten Abstecher in die Marienhagener Kirchengeschichte genommen hat, fand einen interessierten Zuhörerkreis, wie sich auch an der regen Diskussionsbeteiligung zeigte. Aus der für die Kirche eingeplanten halben Stunde wurden anderthalb Stunden, die bei der Fülle der neuen Informationen wie im Fluge vergingen.
Für das eigentliche Ziel des Ausfluges, den Ortrundgang im Dorf Marienhagen, blieb leider nicht mehr genügend Zeit. Der BGV Oberberg wird dieses Thema deswegen in Zusammenarbeit mit Helmut Ley zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anbieten.
Text: Harald Meißner Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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