Am 11. November 2023 ist der ehemalige Außenminister der Republik Tschechien, Karel Schwarzenberg, in Wien im Alter von fast 86 Jahren verstorben. Genealogisch korrekt hieß er Karl VII. Fürst zu Schwarzenberg, Herzog von Krummau, gefürsteter Landgraf im Klettgau, Graf von Sulz. Der bedeutende europäische Staatsmann hatte Wurzeln in Oberberg und war darum vor knapp 24 Jahren hier zu Besuch.
In Böhmen geboren, von den Kommunisten 1948 vertrieben und in Österreich aufgewachsen, verwaltete er von Wien aus den Besitz des Hauses Schwarzenberg in der Steiermark und in Franken. Er betrieb in Wien viele Jahre lang ein Hotel im Palais Schwarzenberg unterhalb des Belvedere, war von 1984 bis 1991 Präsident der Internationalen Helsinki Föderation für Menschenrechte und wurde für die Jahr 1990 bis 1992 von Vaclav Havel, den er wie auch andere Dissidenten jahrzehntelang unterstützt hatte, zum Kanzler der Präsidialkanzlei ernannt. Später wurde er Senator (im Oberhaus des tschechischen Parlaments) und war von 2007 bis 2013 mit einer Unterbrechung Außenminister der Republik Tschechien.
Er gibt kaum einen weiteren so bedeutenden Wandler zwischen Ost und West wie Karl Schwarzenberg, der neben der Schweizer Staatsangehörigkeit nur deshalb den tschechischen Pass besaß, weil die Kommunisten vergessen hatten, die Familie nach der Vertreibung und Enteignung auszubürgern. Sein politisches Engagement erklärte er einmal selbst mit den Worten: „Nachdem ich als Kind erlebt habe, wie sich die Politik mit uns beschäftigt hat, habe ich mich mit der Politik beschäftigt.“
Als direkter Nachfahre des Grafen Adolf von Schwarzenberg und seines Sohnes Adam, den beiden bedeutendsten Schlossherren im 16./17. Jahrhundert auf Gimborn in der heutigen Gemeinde Marienheide, hat Karl von Schwarzenberg die Heimat seiner Vorfahren nie vergessen. Im Januar 2000 besuchte er Gummersbach und Gimborn und hielt im Kreishaus einen beachtlichen, frei gehaltenen Vortrag mit dem Titel „500 Jahre Europäische Geschichte am Beispiel der Familie Schwarzenberg“, bei dem man den Eindruck gewann, dass er alle seine Vorfahren persönlich kannte. Als Geschenk überreichten Landrat Hagen Jobi und Firmenchef Christoph Schmidt-Krayer einen von der Lehrlingswerkstatt bei Schmidt und Clemens angefertigten, vergrößerten Gussstahl-Abguss der Jubiläumsmedaille des Bergischen Geschichtsvereins mit dem Porträt des Adolf von Schwarzenberg.
Bei seinem Besuch weihte der Fürst in der Schlosskirche Gimborn die neue Schützenfahne im 390. Jahr des Bestehens der St. Sebastianus Schützenbruderschaft. Im Jahr 2000 war es genau 450 Jahre her, dass die Schwarzenbergs den Gimborner Besitz erheirateten. Die Wiener Journalistin und Historikerin Barbara Toth, die eine Biografie Karl Schwarzenbergs geschrieben hat, war ganz erstaunt, als sie vor einigen Jahren in Gummersbach auf Einladung des Geschichtsvereins eine Lesung hatte, wie viele Schwarzenberger Straßen, Höfe (damals noch zwei Restaurants in Gummersbach – Hülsenbusch und Dümmlinghausen) und Vereine es gibt.
So der Schützenverein in Gimborn mit Schwarzenberger Taler auf der Vereinsfahne oder der Schwarzenberger Reitverein in Engelskirchen-Kaltenbach. Auch wenn die Fürsten Schwarzenberg ihr oberbergisches Ländchen 1782 an den nächsten Landesherrn verkauften, den Grafen Wallmoden, so scheint eine gewisse emotionale oder nostalgische Bindung noch nicht ganz abgerissen zu sein. Als der Pro-Europäer Karl Schwarzenberg bei den Präsidentschaftswahlen 2013 in Tschechien seinem europakritischen Gegner und derzeitigen Präsidenten Milos Zeman mit 45,2 zu 54,8 Prozent im zweiten Wahlgang unterlag, rief mir in Ründeroth auf der Straße ein älterer Herr zu: „Schade, dass unser Fürst nicht Präsident geworden ist.“
2024 begeht die Oberbergische Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins ihr 100. Jubiläum und macht aus diesem Anlass eine fünftägige Exkursion durch Böhmen und Prag auf den Spuren der Schwarzenberger. Dabei war geplant, dass Karl Schwarzenberg die Gruppe auf Schloss Orlik empfängt. Dazu gab es im September schon Kontakt mit der schwarzenbergischen Zentralkanzlei in Wien und die dortige Sekretärin versicherte, das Anliegen mit dem Fürsten persönlich zu besprechen. So können wir zumindest gewiss sein, dass Karl Schwarzenberg vor seinem Tod noch den Ruf der oberbergischen Heimat seiner Vorfahren vernommen hat und dies gewiss mit dem Wohlwollen, das er uns vor 23 Jahren bei seinem Besuch hier entgegengebracht hat.
Text: Marcus Dräger, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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