Visionen und Rückblicke – Kaminabend des BGV Oberberg in Waldbröl

Am 16. April 2024 trafen sich zahlreiche Mitglieder und Gäste des BGV Oberberg zu einem unterhaltsamen und sehr informativen Kaminabend im Bürgerdorf am Alsberg in Waldbröl. Zum Gespräch eingeladen hatten die Moderatoren Marcus Dräger und Dr. Uwe Bathe den ehemaligen Waldbröler Bürgermeister Christoph Waffenschmidt und den Bonner Politologen und Musikwissenschaftler Dr. Stephan Eisel, der gleich zu Beginn der Veranstaltung eine Kostprobe seines pianistischen Könnens gab und dafür viel Beifall erntete.
Im Schein eines elektrischen Mini-Kamins begann eine sehr kurzweilige Unterhaltung mit zwei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, die aber auch viel Gemeinsames verband. Und das war nicht nur der unsichtbare Gast, der von Anfang an dabei war: Dr. Horst Waffenschmidt, ehemals Wiehler Gemeinde- und Stadtdirektor und lange Jahre Staatssekretär in der Regierung Kohl zu einer Zeit, in der die Bundesrepublik einen epochalen Wandel erfuhr und eine ganz neue Identität bekam.
Die Familie Waffenschmidt war und ist auch heute noch tief in Waldbröl verwurzelt und hat hier im öffentlichen Raum viele positive Impulse gegeben. Waffenschmidt sen. blieb auch in seiner Bonner Zeit der Heimat treu. Regelmäßig wurden sonntags nach dem Kirchgang Bürgersprechstunden abgehalten, die Verbindung mit der Basis riss nie ab und gab sicherlich auch Kraft und Bestätigung für den politischen Alltag.
Ähnlich erging es dem Sohn Christoph. Enge familiäre Bande, eine tiefe auch hier erfahrene Religiosität und ein Bewusstsein für die drängenden Bedürfnisse der Gemeinschaft prägten von Anfang an seinen Lebensweg. In seiner Zeit als jüngster NRW-Bürgermeister von 1999 bis 2008 brachte er im strukturschwachen Südkreis einiges auf den Weg: Infrastrukturelle Maßnahmen belebten das Stadtgesicht, die Bildung und der Ausbau des Schulwesens hatten hohe Priorität, ein funktionierendes Stadtmarketing verband die Bürger und machte den Ort auch überregional bekannt. Erwähnt sei hier der Waldpark Panarbora.
2008 kam dann ein – vielleicht nur scheinbarer – Cut: Waffenschmidt wechselte erst in den Taunus und dann nach Berlin zu der Kinderhilfsorganisation World Vision und leitete hier die deutsche Sektion. Ziel der Non-Profit-Organisation ist es, die Lage der Ärmsten und Schwächsten überall auf der Welt zu verbessern. Patenschaften, die in die Hunderttausende gehen, und öffentliche Fördermittel stellen die Ressourcen bereit, um Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren.
Nicht Mammutprojekte, sondern ortsbezogene Maßnahmen, die mit den Betroffenen und vor Ort arbeitenden Partnerorganisationen gemeinsam entwickelt werden, sollen nachhaltig neue Perspektiven schaffen. Beispielhaft erwähnte Waffenschmidt das vom australischen Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo entwickelte Wiederaufforstungsprogramm FMNR, das Wasser in Dürregebieten bindet und den Bauern auf verbesserten Böden reichere Ernten und damit mehr Wohlstand erlaubt. Die Zukunft der Kinder gewinnt durch besseren Zugang zur Bildung, Hygiene und Gesundheitsvorsorge werden Realität.
Waffenschmidts Vorstellungen von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungshilfe gehen aber auch Hand in Hand mit dem Bewusstsein für die Veränderungen des Klimas, zusammen mit dem Meteorologen Sven Plöger sensibilisiert er in dem vor einigen Jahren erschienenen Buch „Besser machen!“ die Menschen für diese Zusammenhänge.
Auch der andere Gast des Abends, Dr. Stephan Eisel, kannte Horst Waffenschmidt. Das CDU-Mitglied Eisel hatte in Marburg und Bonn studiert, war RCDS-Vorsitzender und begann seine berufliche Karriere als Angestellter im Kanzleramt, als Helmut Kohl Bundeskanzler war und sich große Umwälzungen in Deutschland vollzogen. Als stellvertretender Büroleiter erlebte er hautnah den Mauerfall und die folgende Zeit der Wiedervereinigung mit.
Kanzler und Mitarbeiter stammten beide aus der Pfalz und verstanden sich auf Anhieb gut, Eisel agierte als Kohls Redenschreiber und hatte profunden Einblick in die damaligen Abläufe. Ein Beispiel für sein Organisationstalent war die Reise des beim Mauerfall in Polen weilenden Bundeskanzlers zur zentralen Kundgebung in Berlin, die Amerikaner mussten helfen, weil die deutsche Flugbereitschaft DDR-Gebiet nicht überfliegen durfte.
Eisel ist auch als sehr produktiver Publizist hervorgetreten, nicht nur mit sehr unterschiedlichen politischen Themen, mit denen er während seiner langjährigen Tätigkeit in der Konrad-Adenauer-Stiftung befasst war. Hier ist besonders seine Kohl-Biographie zu nennen, deren besonderer Reiz darin besteht, dass sie eine selbst erlebte „Nahaufnahme“ bietet und ein sehr persönliches Bild des ehemaligen Bundeskanzlers zeichnet. Daneben gehören aber auch seine musikwissenschaftlichen Untersuchungen über Ludwig van Beethoven und seine Bonner Jahre zur empfehlenswerten Lektüre.
An diesem Abend wurden noch viele andere Themen aufgegriffen, die hier nicht alle erwähnt werden können, so z.B. Politik und Politiker im Zeitalter der Sozialen Netzwerke und damit verbunden schwindende Freiräume. Das große Interesse der Zuhörer zeigte sich auch nach Ende der Veranstaltung noch in lebhaften Gesprächen bei Wein aus Rhöndorf und oberbergischem Gebäck im Foyer des Bürgersaals.
Der BGV Oberberg dankt der Stadt Waldbröl für die Überlassung des Saals. Unser besonderer Dank gilt Frau Bertamini-Köster und Herrn Volker Wetzler, der auch seit einigen Jahren das Waldbröler Stadtarchiv betreut, für ihre tatkräftige Unterstützung.

Text: Harald Meißner  Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

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