Der Bergische Geschichtsverein hatte zusammen mit der Kreisvolkshochschule Oberberg zu einer Exkursion an die Brucher-Talsperre eingeladen. Hier führte der Müllenbacher Heimatforscher Wolfgang Gaudich am 19. Oktober 2024 die Besuchergruppe auf den Spuren versunkener Orte am Ufer des Gewässers.
Das Gebiet um den Gervershagener Forst, mit 450 ha. eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete im Oberbergischen, wird seit über hundert Jahren von der Brucher Talsperre geprägt. Sie wurde kurz vor dem I. Weltkrieg nach Plänen des damals sehr bekannten Wasserbau-Architekten Otto Intze erbaut und diente der Hochwasserregulierung in der Region. Der Brucher Bach, ein Quellfluss der Wipper und Namensgeber der Talsperre, wurde hier aufgestaut, außerdem besteht ein Stollen zur anderthalb Kilometer entfernten Wipper. Heute kommt der nicht unwesentliche Aspekt als Tourismusmagnet im Naherholungsgebiet mit Campingplatz und Wassersporteinrichtungen hinzu.
Das Forsthaus Gervershagen, wie ein verwunschenes Schloss im Märchenwald gelegen und in seiner jetzigen Gestalt im frühen 18. Jh. erbaut, geht auf wesentlich ältere Wurzeln zurück, die bis ins 13. Jh. zurückreichen. Erst im Besitz der Grafen von Sayn, dann Kölner Besitztum, schließlich Gut der Herren von Möllenbeck, die es 1507 als Mitgift an die Herren von Neuhoff, gen. Ley weitergaben. Im 17. Jh. kauften es die Grafen von Schwarzenberg, 1844 veräußerten es deren Nachfolger, die Grafen von Merveldt. Die Ersterwähnung des Ortsnamens erfolgte in einem Bergbau-Privileg von 1450. Schon damals spielten Förderung und Verhüttung von Eisenerz eine wichtige Rolle.
Um 1870 ging Gervershagen an die Grafen von Spee von Schloss Heltorf. Bis dahin war der nicht unbeträchtliche Besitz überwiegend landwirtschaftlich als Weide-, Acker- und Gartenland genutzt worden, mit dem neuen Herrenhaus war im 18. Jh. auch ein Barockgarten entstanden, von dem heute nur noch die Umfassungsmauer existiert. Jetzt wurde in großem Umfang aufgeforstet, im neugegründeten Kaiserreich war der Holzbedarf beträchtlich, besonders schnell wachsende Nadelhölzer waren gefragt. In diesem Zusammenhang ist die nachhaltige Tätigkeit des langjährigen Försters Heinrich Dohmen zu nennen. Das zweistöckige Herrenhaus aus verputztem Bruchstein und die noch vorhandenen Wirtschaftsgebäude stehen unter Denkmalschutz.
Auf dem Weg zum leider nicht mehr sichtbaren nächsten Kleinod an der Talsperre führte der Weg über den Parkplatz des Waldhotels Marienheide. Das Haus wurde in der Nachkriegszeit als Erholungsheim des VdH (Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands) genutzt.
An das Schicksal der Spätheimkehrer erinnert auch ein Relief der international bekannten Bildhauerin Ysra von Leistner, das im Park des Hauses aufgestellt wurde. Die Künstlerin war Tochter eines renommierten Kirchenarchitekten und einer dänischen Sängerin. Im II. Weltkrieg lernte sie als Krankenschwester an der Berliner Charité die Schrecken des Krieges hautnah bei der Pflege Schwerverwunderter kennen. Das prägte ihr weiteres künstlerisches Schaffen wesentlich (Betonstatue „Der Kriegsblinde“, „Madonna von Nagasaki“ u.a.). Nach dem Krieg kam sie in Kontakt mit Konrad Adenauer, der 1955 die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion abholte. An deren Schicksal sollte auch die Marienheider Skulptur „Heimkehrer mit Mutter“ erinnern. Auch der Schlosspark von Lindlar besitzt zwei Kunstwerke der Künstlerin.
Die Brucher Mühle, nicht zuletzt bekannt durch eine detailgetreue Federzeichnung des Künstlers und ehemaligen Waldbröler Stadtarchivars Werner Engelbert (1935-2017), wurde bereits im 16. Jh. erwähnt und gehörte zum Rittergut Gervershagen. Als Bannmühle verschaffte sie ihren Besitzern stabile Einkünfte. Sie besaß zwei Mahlwerke als Getreide- und als Lohmühle (Verarbeitung von Baumrinde zum Gerben von Tierhäuten). In der Rummel- und Bürgermeisterei-Karte aus dem frühen 19. Jh. ist die Wassermühle mit einem großen Mühlteich verzeichnet, der wahrscheinlich auch der Fischzucht diente. Ihr Platz war am Standort der heutigen Staumauer.
Weiter zu erwähnen und auch heute nicht mehr vorhanden sind Orte des Bergbaus und der Ziegelproduktion, die bestenfalls in schriftlichen Quellen ihre Spuren hinterlassen haben. Die meisten Besucher der Brucher-Talsperre dürften die an diesem Herbstnachmittag erfahrenen historischen Informationen kaum kennen und deswegen achtlos an den „versunkenen Orten“ vorbeigehen. Umso größer der Dank an den Heimatforscher, der in unermüdlicher Arbeit hilft, auch hier den Nebel der Verborgenheit zu heben.
Kaffee und Kuchen in „Roger´s Restaurant“ beschlossen in gemütlicher Atmosphäre den interessanten Ausflug. Was gibt es als Nächstes zu entdecken?
Text: Harald Meißner Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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