Wie der Kölner Kunsthistoriker Markus Eckstein in seinem Beitrag über die romanische Baukunst im Oberbergischen in Band 15 der „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“ ausgeführt hat, ist die Zahl der nachweisbaren Bauwerke aus dieser hochmittelalterlichen Epoche im Vergleich zu anderen Regionen überschaubar, 18 sakrale Bauten und etwa ein Dutzend profaner Bauten können belegt werden, manche nur noch in Bodengrundrissen.
Hervorragend erhalten in ihrer romanischen Substanz sind nur zwei Kirchen im Kreisgebiet, St. Gertrud in Morsbach und eben St. Nikolaus in Wipperfürth. An diesem bedeutenden Monument trafen sich Freunde und Mitglieder des Bergischen Geschichtsvereins am 26. Oktober 2024, um an einem Kirchenrundgang mit M. Eckstein teilzunehmen. Auch zahlreiche Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins Wipperfürth hatten sich eingefunden.
St. Nikolaus ist eine Filialgründung des Kölner St. Aposteln-Stifts und wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jh. erbaut, in den folgenden Jahrhunderten auch immer wieder umgebaut und erweitert. Das imposante Bauwerk sollte den religiösen, aber auch politischen Einfluss des Kölner Erzstifts im Zeitalter der mittelalterlichen Territorienbildung hervorheben. St. Aposteln besaß in der Wipperfürther Region umfangreichen Landbesitz, viele Bauern waren abgabenpflichtig. Außerdem galt es, nicht nur den seelsorgerlichen Anspruch gegen mögliche Konkurrenten durchzusetzen.
An der Stadtseite von St. Nikolaus zeigt das Grauwacke-Gebäude eine mit hellem Sandstein prächtig verzierte Südwand mit eindrucksvollen Obergadenpartien, die Ostseite mit Haupt- und Seitenchören bot Nischen für Heilgendarstellungen. Der durch geschickte Raumaufteilung majestätisch wirkende Innenraum mit einem breiten und mit kunstvollen Kreuzrippengewölben verzierten Hauptschiff und zwei auffälligen im Chorraum aufgestellten schlanken Säulen aus rotem und grünen Sandstein hebt die Pracht des Sakralbaus hervor. Eine leider nicht mehr nachweisbare Ausmalung der Kirche wird diesen Eindruck noch verstärkt haben.
Die Hansestadt Wipperfürth, die erste Stadtgründung in der Grafschaft Berg, hatte am Schnittpunkt wichtiger Fernhandelswege eine bedeutende Stellung in Handel und Gewerbe. St. Nikolaus, dessen Verehrung durch die byzantinische Kaisernichte und -gemahlin Theophanu in ottonischer Zeit sehr gefördert wurde, ist Schutzheiliger der Händler, deren Tätigkeit in unsicheren Zeiten einem hohen Risiko ausgesetzt war. Der hohe Westturm der Kirche diente nicht nur als Wehr- und Wachturm, sondern auch als weithin sichtbare Landmarke.
Die Vernetzung mit dem westfälischen Raum hat auch in der Architektur von St. Nikolaus ihre Spuren hinterlassen. Hierzu gehören die Gestaltung des Chorraumes und der angedeuteten Querhäuser. Im Westwerk befinden sich Emporenzugänge, in den dortigen Räumlichkeiten wurden möglicherweise wichtige Urkunden, Verträge und Protokolle der Stadt aufgehoben, die Kirche lag an der Stadtmauer und war durch ihre Randlage bei Bränden geschützter als andere Gebäude.
Eckstein wies auch auf eine Besonderheit im nördlichen Querschiff hin, dessen Wand eine Achsverschiebung nach Südost aufweist. Diese Auffälligkeit teilt St. Nikolaus mit einigen der „Bunten Kerken“, die nicht nur im Bereich des Westturms romanische Züge tragen.
Einmalig ist auch das aus Blei gegossene Taufbecken der Kirche, das aus dem frühen 12. Jh. stammt und jetzt im nördlichen Seitenchor steht. Die Achsverschiebung der Nordwand könnte möglichweise mit der Ausrichtung der Taufe von Nordwest nach Südost zu tun haben.
1204 verließen die Stiftsherren Wipperfürth, die Auseinandersetzung zwischen Welfen und Staufern verlangte auch in der bergischen Provinz ihren Tribut. Die Beziehungen zum Apostelnstift bestand allerdings bis ins frühe 19. Jh. fort, die Pfarrstelle wurde in Köln besetzt und auch ein Teil der Kircheneinnahmen floss an den Rhein.
Insgesamt brachte der sonnige Herbstnachmittag viele interessante Einblicke in Baukunst und Stadtgeschichte, zahlreiche Wortbeiträge zeigten, dass die Geschichte von St. Nikolaus nicht nur in Wipperfürth sehr lebendig ist.
Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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