Der Herr der sieben Länder. Zum 300. Geburtstag unseres Bergischen Landesherrn Karl Theodor.

Als am 10.12.1724 im Schloss Drogenbos bei Brüssel ein kleiner Prinz das Licht der Welt erblickte, nahm kaum jemand in Europa von seiner Existenz Notiz. Das wird auch noch ein paar Jahre so bleiben. Als er sechs Jahre alt ist, stirbt die Mutter, er erbt seine erste Herrschaft an der Scheldemündung und wird Marquis von Bergen op Zoom. Als er neun Jahre ist, stirbt der Vater und er wird Herzog von Pfalz-Sulzbach. Am Ende seines Lebens ist er der „Herr der sieben Länder“ und nach dem Habsburger Kaiser und den Hohenzollern Königen der drittmächtigste Mann im Deutschen Reich. Friedrich der Große nannte ihn das „größte Glücksschwein der Geschichte“, weil er alles geerbt habe, was Friedrich erobern musste. Er war eben auch Herzog von Berg und Herzog von Jülich, sowie Kurfürst von der Pfalz und am Ende sogar der Herr von Bayern. Selten landete jemand auf einem Thron, der bei seiner Geburt so weit davon entfernt war, ein solches Erbe anzutreten.
Die wittelsbachische Nebenlinie der Herzöge von Pfalz-Neuburg stellte seit 1609 auch im Bergischen die Landesherren. Diese Phase unserer Geschichte war lange geprägt von der Kinderlosigkeit der Herzöge. Genauer gesagt, fehlten oft männliche Erben oder eheliche Erben. Auf Jan Wellem, der hoch zu Ross auf dem Düsseldorfer Marktplatz steht, folgte daher dessen jüngerer Bruder Karl Philipp. Nur dessen Tochter Elisabeth erreichte das Erwachsenenalter und auch sie hatte nur Töchter, drei an der Zahl.

So kam Karl Theodor mit zehn Jahren an den Hof nach Mannheim. Dieser war mit dem Regierungswechsel von Jan Wellem auf Karl Philipp von Düsseldorf dorthin umgesiedelt, wo Karl Philipp direkt am Rhein eines der größten Barockschlösser Europas errichten ließ. Er wollte in seinem Schloss ein Fenster mehr haben als der Sonnenkönig in Versailles. Ausdruck pfälzischer Bescheidenheit. Dort lebte der Kurfürst eben mit seinen drei Enkelinnen. Dorthin kam der 10-jährige Karl Theodor, um zum einen als Nachfolger seines sehr entfernten Onkels (Karl Philipps Urgroßvater ist als gemeinsamer Ahn Karl Theodors dreifacher Urgroßvater) erzogen zu werden und später die Kurfürsten Enkelin Elisabeth Auguste zu heiraten. So tröstete sich Karl Philipp, dass einst ein Enkel seine Länder regieren würde. Soviel sei schon verraten. Das sollte nicht klappen.
1742 erbt Karl Theodor die Kurfürstenwürde und auch die Regentschaft im Bergischen. Seinen Lebensmittelpunkt behält er aber in Mannheim, von einigen wenigen Besuchen im Herzogtum Berg abgesehen, erstmals 1746 und noch mal für längere Zeit 1785. Er besuchte die Textilfabrik Cromford in Ratingen und auch Elberfeld. Bis in die Bergischen Ämter Steinbach und Windeck ist er nie gekommen. Straßennamen erinnern an ihn noch in Bensberg, Elberfeld, Ratingen und Köln-Mühlheim, der ehemaligen bergischen Hafenstadt am Rhein, und natürlich in Düsseldorf, wo er zwei Jahre seines Lebens verbrachte und ein ganzes Stadtviertel nach ihm benannt ist – die Karlstadt. Den Düsseldorfern bescherte er Schloss Benrath, wogegen das Inventar von Schloss Bensberg unter seiner Ägide, vor allem Bilder und Möbel nach Mannheim und später nach München abtransportiert wurden. Spuren in Oberberg hat er trotzdem hinterlassen – in Denklingen. Dort steht auf dem Türsturz des Burghauses ein heute kaum mehr lesbarer Spruch, der viel zu dick überstrichen wurde.

Entschlüsselte Inschrift am Türsturz

Er lautet übersetzt: Renoviert durch den Herzog des Vaterlandes, Karl Theodor, Erztruchsess 1778. Die Jahreszahl ergibt sich aus den groß geschriebenen römischen Buchstaben. Wer das zu wörtlich nimmt, und Karl Theodor in den Baumarkt eilen sieht um das Denklinger Burghaus zu renovieren, täuscht sich. In der Silvesternacht auf 1778 reist Karl Theodor nach München, um sein bayerisches Erbe anzutreten. Als er in der Mannheimer Schlosskirche betend die Nachricht vom Tod des Münchener Verwandten ins Ohr geflüstert bekam, soll er zu sich gemurmelt haben: „Nun sind deine guten Tage vorbei.“ Damit sollte er recht behalten. Seine letzten 21 Jahre verbrachte er in München und die bayerischen Landeskinder wurden nie warm mit ihm – im Gegenteil, es blieb bis zu seinem Tod und darüber hinaus eine große Abneigung. Das war sicher darin begründet, dass öffentlich wurde, dass er mit den Habsburgischen Nachbarn südlich des Inn einen Ländertausch einfädeln wollte: Bayern gegen die österreichischen Niederlande, das heutige Belgien und somit das Land seiner glücklichen Kindheit. Da half auch nicht, dass er den Münchnern den Englischen Garten mit freiem Eintritt bescherte, ebenso die Öffnung der Museen und Bibliotheken. In Mannheim ist er heute noch vergöttert, er brachte Hochkultur an den Oberrhein. Seine Hofkapelle galt als die beste in Europa, er förderte Theater und Oper. Allein Goethe reiste acht Mal nach Mannheim und war immer begeistert, was schon für sich spricht. Und im Oberbergischen? Dort sollten wir seinen Geburtstag zum Anlass nehmen, einmal über die Renovierung, oder besser noch, Rekonstruktion des Türsturzes in Denklingen nachzudenken.

Vogtei-Anbau

In der Zeit von Karl Theodor waren über drei Generationen Mitglieder der Familie von Velbrück Amtmänner im Amt Windeck und hatten somit ihren Amtssitz auf Burg Denklingen. Nach der Zerstörung von Burg Windeck an der Sieg durch die Franzosen 1672 wurde die Verwaltung nach Denklingen verlegt. Ein wichtiges Dokument aus dieser Zeit für Denklingen und Eckenhagen ist die Huldigungsliste der Eventual-Huldigung vom Januar 1731. Dort sind alle Haushaltsvorstände und somit alle ansässigen Familien verzeichnet, die in der Kirche die Huldigungsformel vorgelesen bekamen und dann in der Liste vermerkt wurden. Text und Liste wurden vom Heimatforscher Oswald Gerhard in seiner Geschichte „Eckenhagen und Denklingen im Wandel der Zeiten“ transkribiert und veröffentlicht. Eine Eventual-Huldigung an sich ist schon eine ungewöhnliche Sache, die aber in die erbenlose Zeit der Pfälzer passt. Sie galt dem Bruder von Karl Philipp und Jan Wellem, der eine unglaubliche Zahl kirchlicher Ämter anhäufte. Er war nicht nur Kurfürst von Trier und Mainz, sondern auch Fürstbischof von Breslau und Bischof von Worms. Er starb aber schon 1732. In den komplizierten Erbverträgen der unterschiedlichen wittelsbachischen Nebenlinien waren die Männer mit kirchlichen Ämtern von der Erbfolge extra nicht ausgeschlossen. Karl Theodor starb 1799 in München ohne eheliche Erben, obwohl er nach dem Tod seiner ersten Frau mit 71 Jahren noch die 17-jährige Erzherzogin Maria Leopoldina heiratete. Er hinterließ neben seinen sieben Ländern aber auch acht uneheliche Kinder. Sein Nachfolger wurde ein vielleicht noch entfernterer Verwandter, als er es selbst bei seinem Erbantritt war: Max IV. Joseph aus der Nebenlinie Pfalz Zweibrücken-Birkenfeld, ab 1806 als Maximilian I. König von Bayern und somit Stammvater des bayerischen Königshauses. Doch da war das Bergische Land für die Bayern schon lange vergessen und gerade an die Franzosen gefallen.

300. Geburtstagsfeier in der Denklinger Burg

Auf den Tag genau zum 300. Geburtstag des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz am Donnerstag 10.Dezember 2024, feierten der BGV-Oberberg und der HVV Denklingen den Gedenktag in Form eines bebilderten Vortrags durch den BGV-Ehrenvorsitzenden Dr. Alexander Rothkopf im Burghaus Denklingen. In gewohnter Form führte Dr. Rothkopf im Parforceritt durch den Lebenslauf des vorletzten Bergischen Herzogs aus dem Hause Pfalz-Wittelsbach. Im Anschluss sorgte der HVV Denklingen wie es sich für eine Geubrtstagsfeier gehört, für ein gutes Glas Sekt und leckere Schnittchen. Herzlichen Dank dafür an Frau Sina Klein Schlegel und Ihre Kollegen vom HVV.

Text: Marcus Dräger, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf

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