Wer nach Marienberghausen kommt, fühlt sich in eine Idylle der Romantik zurückversetzt. Imposante Fachwerkhäuser bestimmen die Kulisse im Ortskern, über allem thront – von weither sichtbar – die wuchtige Dorfkirche, die noch viele Geheimnisse birgt.
Um den Werdegang des Ortes besser zu verstehen, hat sich der BGV Oberberg fachkundige Hilfe geholt: Der Historiker Hartmut Benz, der auf Führungen schon viele Facetten der oberbergischen Regionalgeschichte dargestellt und die Entwicklung von kleinen und großen Gemeinwesen in einen übersichtlichen Rahmen gestellt hat, konnte am 13. Juni 2025 einer großen Besuchergruppe viel Detailwissen vermitteln, ohne dessen Kenntnis im Ortsverständnis wichtige Konturen fehlen.
Marienberghausen liegt in Sichtweite von Nümbrecht, zur Gemeinde Nümbrecht gehört das Dorf seit 1969, in diesem Jahr gewann es auch den Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ und wurde überregional bekannt. Wanderer kommen hierher, aber auch viele Kulturinteressierte fasziniert das beeindruckende Ortsbild.
Marienberghausen war Bestandteil der Reichsherrschaft Homburg, die von der Ganerbengemeinschaft der Grafen von Sayn und Sayn-Wittgenstein gemeinschaftlich regiert wurde. Das führte oft zu Auseinandersetzungen und Erbstreitigkeiten im Homburger Ländchen. Das Auftauchen eines dritten Players, der Grafen und Herzöge von Berg, trug auch nicht gerade zur Beruhigung der Lage bei. Bis zum Siegburger Vergleich 1604 waren die Besitzverhältnisse in vielerlei Hinsicht unübersichtlich, viele Untertanen beider Fürstenhäuser lebten jeweils im (vermeintlichen) Territorium des anderen, der Anspruch auf Jagd-, Wasser- und Waldnutzungsrechte führte zu häufigen juristischen, aber auch zu gewalttätigen Klärungsversuchen.
Erst der Siegburger Vergleich, für beide Seiten, Sayn-Wittgenstein und Berg, ein Kompromiss, bereinigte die Lage: Homburg verlor zwar mit den Kirchspielen Waldbröl und Morsbach die Hälfte seines Gebietes an den übermächtigen Gegenspieler, seine territoriale und staatliche Existenz wurde aber vertraglich anerkannt, was auch mit einem beiderseitigen Ausgleich der Rechte und Ansprüche verbunden war.
Marienberghausen gehörte weiter zu Homburg und wurde, von Intermezzi abgesehen, vom fernen Berleburg aus regiert. Dabei achteten die Grafen darauf, dass ihnen in ihren Ländern kein zu mächtiger Erbadel mit Einfluss und großen Gütern entstand, der für die Verwaltung herangezogene „Dienstadel“ bestand überwiegend aus Bürgerlichen. So stellte u.a. die Nümbrechter Familie Milchsack hohe Beamte und Pfarrer.
Seit der Mitte des 16. Jh. hielt die Reformation Einzug, erst das lutherische und nach dem Siegburger Vergleich ab 1605 das reformierte (calvinistische) Bekenntnis, das bildliche Darstellungen in Kirchen als katholisches Überbleibsel strikt ablehnte. Dieser Gegensatz war mit dem Einsetzen der Gegenreformation und mit der unmittelbaren Nachbarschaft eines mächtigen katholischen Reichsfürsten durchaus bedrohlich.
Marienberghausen wurde erstmals 1447 urkundlich erwähnt, über hundert Jahre später als sein Nachbarort Staffelbach. Aber die mittelalterliche Kirche wurde nachweislich schon im frühen 13. Jh. erbaut, nur ihr wuchtiger Westturm blieb aus dieser Zeit erhalten, Chor und Querhäuser entstanden im 15. Jahrhundert zusammen mit den eindrucksvollen Wand- und Deckenmalereien. Bemalt war der gesamte Innenraum der Kirche, allerdings fiel das dreischiffige Langhaus mit seiner Ausmalung 1668 einem verheerenden Brand zum Opfer, der einschiffige Neubau ist schmucklos und hebt sich stark von der Farbenpracht in Chor und Vierung ab.
Die erhalten gebliebenen Bilder wurden aber noch im 17. Jh. übertüncht und blieben bis 1910 unentdeckt. Dann wurden sie freigelegt und übermalt, um die verblassten Farben zu verstärken, letztere Maßnahme wurde 1959 aber wieder rückgängig gemacht. Trotzdem zeigt sich ein faszinierendes Bild der biblischen Heilsgeschichte in klaren und aussagekräftigen Tönen: Jüngstes Gericht und Seelenwage, aber auch Fürbitte und Schutz der Heiligen prägten die Glaubenswelt der spätmittelalterlichen Landbevölkerung. Doch zwischen Verdammnis und Erlösung gab es auch Raum für humorvolle Einsprengsel, z. B. das dudelsackspielende Schwein und der Moriskentänzer.
Wie und wovon lebten die Menschen in Marienberghausen? Zunächst einmal von der Landwirtschaft, aber es entwickelten sich auch Gewerbebetriebe. Papier- und Pappe-Erzeugung und die Fertigung von Gebrauchsgegenständen – wie z. B. Messer aus Metall – gewannen besonders mit der Industriellen Revolution eine große Bedeutung, die mühsame Handarbeit wurde jetzt von Maschinen erledigt. Die Papierrolle schaffte es sogar ins Wappen der Gemeinde Marienberghausen, die über die Franzosenzeit, die preußische Rheinprovinz und die Weimarer Republik hinaus bis 1969 bestand und zuletzt ungefähr 4.500 Einwohner zählte.
Die Kommunalreform sorgte noch einmal für beträchtliche Aufregung: Waldbröl wollte man nicht zugeschlagen werden, wie von einflussreichen Persönlichkeiten in der Kreisverwaltung favorisiert, also einigte man sich mit Nümbrecht. Wie stark aber damals die Furcht vor dem Verlust der Heimat und der eigenen Identität war, zeigt auch heute noch der Umstand, das der Ortsteil Marienberghausen mit seinen jetzt 500 Einwohnern ein ausgesprochen lebendiges Vereinsleben hat, das Halt und Zusammengehörigkeit vermittelt.
Womit wir bei der Kultur wären: Der noch sehr aktive Männergesangverein wurde 1854 gegründet, im Geburtsjahr von Engelbert Humperdinck, dessen Name auch mit Marienberghausen verbunden ist. Der Komponist weilte oft zur Sommerfrische bei seiner Tante im Weiler Wolfscharre und wurde hier auf Wanderungen in der oberbergischen Landschaft inspiriert. Die Gemeinde ehrte ihn mit einem großen Gedenkstein und im Hotel „Zur Alten Post“ wird ein Klavier aufbewahrt, auf dem Humperdinck gespielt haben soll. In der ev. Kirche wurde 1994 von dem Straßburger Orgelbauer Mühleisen ein in der Tradition der Silbermann-Orgeln stehendes Instrument eingebaut, das überregionale Beachtung genießt.
Fazit: Marienberghausen ist nicht nur ein malerischer Winkel im Südkreis, sondern hat auch kunsthistorische Impulse gesetzt. Der Ort vermittelt dem Besucher Heimatgefühl und Lebensqualität und ist immer einen Besuch wert.
Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
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- Kirche Marienberghausen
- Die Gruppe sammelt sich
- Erste Erläuterungen durch den Führer Hartmut Benz
- Im Schatten geht es weiter….
- Details zur Ortsentwicklung
- Interessante Details zu Herrschaft, Gewerbe und Konfessionen am Ort
- Die 12 Apostel und das Jüngste Gericht
- Die Seelenwaage (li. oben)
- Die große Vierung mit Jesu Leidenswerkzeugen
- Drolerie – Dudelsack spielendes Schwein (u.r.)
- Der heilige Georg
- Der heilige Antonius
- Grabplatte Klöber-Omphal
- Grabplatte Klöber
- Diskussion unter Ortskundigen
- Gedenkstein für den Komponisten Engelbert Humperdinck, der dem Ort verbunden war.
- Gäste und MItglieder
- Dank des Vorsitzenden an den Historiker