Der BGV Oberberg hatte zu seinem dritten Kamingespräch in diesem Jahr zwei bemerkenswerte Persönlichkeiten eingeladen, die auf ihre Weise eng mit dem Geschichtsverein verbunden sind: Clemens von Boeselager trat im Okt. 2022 die Nachfolge von Jörg Deselaers als Kurator des Stiftes Ehreshoven an eine große Aufgabe. Deselaers hat in mehr als drei Jahrzehnten im Auftrag der Rheinischen Ritterschaft das Stiftungsvermögen in Ehreshoven verwaltet und dafür gesorgt, dass der ehemalige Besitz der Grafen Nesselrode auch in unserer Zeit eine wichtige Funktion hat. Der andere Gast war Thomas G. Halbach, der scheidende Vorsitzende des BGV-Gesamtvereins, der sich im letzten Jahrzehnt erfolgreich dafür eingesetzt hat, dass der größte historische Verein in Deutschland mit 4.000 Mitgliedern in der Öffentlichkeit noch stärker als Bewahrer der bergischen Kultur und als regional-geschichtlicher Forschungsschwerpunkt wahrgenommen wird.
Die Veranstaltung mit mehr als 30 Besuchern fand im Ursaal der Vorburg statt, einem trotz seiner Größe gemütlichen und geschmackvoll eingerichteten Raum, der auch von der Gemeinde Engelskirchen als Trauzimmer genutzt wird. Ein knisterndes Kaminfeuer sorgte für wohlige Wärme und eine entspannte Atmosphäre.
Baron Boeselager ist dem Stift schon seit Jahrzehnten verbunden, er hat sich in dieser Zeit vom Praktikanten während seines Studiums zum Verwaltungsleiter der von der Gräfin Marie von Nesselrode in ihrem Testament bestimmten Institution hochgedient. Nach ihrem Willen sollte das „Fräuleinstift“ für bedürftige unverheiratete katholische adelige Frauen der Ort sein, wo sie einen weitgehend sorgenfreien und würdigen Lebensabend verbringen konnten. Stiftungsträger ist die Rheinische Ritterschaft. Die gestellte Aufgabe kann auch heute noch – nach einem Jahrhundert – hervorragend erfüllt werden. Gegenwärtig wohnen dreizehn z.T. hochbetagte Stiftsdamen im Schloss und halten mit ihren Erzählungen die Erinnerung an viele Jahrzehnte ihrer oft turbulenten Familiengeschichte wach.
Die Aufgabenerfüllung verschlingt beträchtliche Finanzmittel, die nachhaltig erwirtschaftet werden müssen und deren Beschaffung ein ausgeklügeltes Management verlangt. Die Hauptstützen des Budgets sind Forst- und Landwirtschaft und Event-Marketing. Das Stift bewirtschaftet 1.500 ha Wald und verpachtet 300 ha Weideland. Viele Filme, Serien oder andere Fernsehsendungen (Horst Lichter) wurden im Schloss und seiner Umgebung gedreht und trugen zum Unterhalt des Stiftes bei. Bekannt ist Ehreshoven auch für seine mannigfaltigen Events (Hochzeiten und Familienfeiern, Firmenveranstaltungen, Touristenführungen usw.). Baron Boeselager merkte an, dass die Nähe der rheinischen Metropolen Köln und Düsseldorf für Ehreshoven ein wichtiger Standortvorteil ist.
Für die rheinisch-bergische Geschichtsforschung und damit auch für die Vereinsarbeit des BGV ist ebenfalls wichtig, dass die Archive der Rheinischen Ritterschaft und anderer Adelshäuser hier fachgerecht gelagert werden und interessierten Forschern zur Verfügung gestellt werden. Von dieser Möglichkeit wird reger Gebrauch gemacht, angehende Archivare ergänzen hier ihre Ausbildung.
Neue Herausforderungen gibt es für den Kurator beinahe täglich. Die Vernichtung des halben Nadelwaldbestandes durch den Borkenkäfer und die Wiederaufforstung mit anderen gemischten Baumarten, die auch den Klimawandel verkraften können, reißen zunächst Löcher in die Kasse – Erntezeit für die Setzlinge von heute ist erst in vierzig Jahren. Auch die Corona-Jahre ohne Veranstaltungen haben ihre Spuren hinterlassen, während die Kosten für Personal und Pflege weiterlaufen. Außerdem haben Instandsetzung und Denkmalpflege ihren Preis.
Daneben ist Baron Boeselager aber auch Ritter des Malteserordens, einerseits der Familientradition geschuldet, anderseits durch seine persönliche Verbundenheit mit den Einstellungen und Werten dieser Gemeinschaft, die auf eine fast tausendjährige Geschichte zurückblicken kann. Ähnlich wie die evangelischen Johanniter erfüllt sie wichtige karitative Aufgaben. Wallfahrten nach Lourdes waren prägende Ereignisse im Leben Boeselagers.
Auch mit der Landwirtschaft verbunden ist das Leben von Thomas G. Halbach. Er wuchs auf einem Bauernhof auf, studierte Landwirtschaft, arbeitete beim Raiffeisenverband und als Unternehmensberater und kam im Rahmen dieser Tätigkeit an seine ersten beiden Buchhandlungen. Heute sind es sechs, davon zwei spezialisiert auf industriebezogene Fachliteratur und Schulbücher. Ihm gehört auch der Bergische Verlag in Remscheid, der sich u.a. heimatkundlichen und regionalgeschichtlichen Veröffentlichungen verschrieben hat.
Für Halbach sind gedruckte Bücher Lebensinhalt, aber auch er erkennt die Bedeutung der elektronischen Medien für die Zukunft des Buchhandels und der modernen Wissensvermittlung. Als Beispiel nennt er die Verwaltung der Industrienormen, die er landesweit als Dienstleistung anbietet: Früher gab es Loseblattsammlungen, die manuell und zeitaufwändig auf den neuesten Stand gebracht werden mussten, heute sind es Computerprogramme, die das schneller und genauer erledigen.
Die Amtszeit von Thomas G. Halbach im Vorsitz des Bergischen Geschichtsvereins ist durch ein herausragendes Projekt geprägt. Der schon 160 Jahre bestehende Verein hat in dieser Zeit eine Vielzahl von Sammlungen angelegt, die Bestände wurden dezentral gelagert oder ausgestellt und auch als Dauerleihgaben weitergegeben. Mit der Zeit verlor sich oft das Wissen, welche Objekte dem Geschichtsverein gehören und wo sie verblieben sind.
Unter Halbachs Führung wurde auch mit öffentlichen Fördermitteln in einem mehrjährigen Projekt ein Team aus jungen Wissenschaftlern gebildet, das in akribischer Kleinarbeit diesen Objekten nachspürte und in großen Teilen den Bestand des Gesamtvereins wieder sichtbar machen konnte. Das Ergebnis dieser Arbeit wird auf der Homepage des Gesamtvereins beschrieben. Bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die in der Kürze der Förderzeit nur teilweise geleistet werden konnte, ist sicherlich noch einiges an regionalgeschichtlichen Erkenntnissen zu erwarten.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Vereinsarbeit in Wuppertal ist auch die elektronische Erschließung der aus 30.000 Bänden bestehenden BGV-Bibliothek, die einem größeren Nutzerkreis zur Verfügung stehen soll. Auch dies wird ein starker Impuls für die moderne Heimatforschung sein.
Halbach war es auch ein Anliegen, die 4.000 Mitglieder seines Vereins über einen neuen professionellen Internet-Auftritt zu erreichen. Auch dieses Projekt zeigt jetzt ein respektables Ergebnis. U.a. können hier auch Publikationen aus den einzelnen Abteilungen bestellt werden.
Beide Gesprächspartner des Abends vereint die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte und ihre Weitergabe an zukünftige Generationen, in der Familie, in Schulen und Vereinen, in Führungen, mit Büchern und anderen Medien, im Großen wie im Kleinen. Am Ende des Gesprächs zitierte Thomas G. Halbach den 2015 verstorbenen Philosophen Odo Marquard: „Zukunft braucht Herkunft“. Diese weise Erkenntnis sollte immer im öffentlichen und privaten Bewusstsein verankert sein und auch die Arbeit des Bergischen Geschichtsvereins für zukünftige Generationen weitertragen.
Text: Harald Meißner, Fotos: Dr. Anna Eiter-Rothkopf
Stift Ehreshoven: https://www.stift-ehreshoven.de/
Bergischer Geschichtsverein: https://www.bergischer-geschichtsverein.de/
Kulturgut BGV: https://www.bergischer-geschichtsverein.de/projekte/sicherung-des-kulturgutes-des-bgv/
Bergischer Verlag: https://www.bergischerverlag.de/
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