Stein und Holz – BGV Oberberg besucht St. Bonifatius und die Historische Mühle Nespen

Am 2. Sept. 2023 konnte der BGV Oberberg nach mehrmaligem coronabedingt vergeblichem Anlauf endlich seine Exkursion zur St. Bonifatius-Kirche in Wildbergerhütte-Bergerhof durchführen. Der Kirchenneubau war in den 1970er Jahren notwendig geworden, nachdem die aus dem 19. Jh. stammende Vorgängerkirche baufällig geworden war und schließlich abgebrochen werden musste. Das Projekt wurde dem aus Krefeld stammenden und im Kölner Raum tätigen Architekten Heinz Bienefeld übertragen. Bienefeld hatte nach dem Krieg bei Dominikus Böhm an den Kölner Werkschulen studiert und danach als dessen Assistent gearbeitet. Auch mit dem Böhm-Sohn Gottlieb wurden gemeinsame Projekte verwirklicht, prägend war daneben der enge Kontakt zum Kirchen- und Klosterbaumeister Emil Steffann.
Bienefeld, Sohn eines Malermeisters, war dem Bauhandwerk und seinen vielfältigen Möglichkeiten immer eng verpflichtet. Die archaischen Strukturen der Natur und die Gestaltungskraft der antiken Baumeister waren wichtige Impulsgeber seines Schaffens, nicht umsonst wurde er in der Literatur als „Vitruvs stiller Jünger“ bezeichnet. Intensive Beschäftigung mit römischen Villen in Pompeji, aber auch mit den Bauten des oberitalienischen Renaissance-Baumeisters Andrea Palladio verband sich mit eigenen Ideen, die Tradition und Moderne in eindrucksvoller Weise verbanden und neue Wege in der Architektur öffneten. Bienefelds Sohn Nikolaus, ebenfalls Architekt und Hochschullehrer in Köln, setzt diesen Weg des Vaters fort.

Die Schlüssel der alten Kirche

Dr. Uwe Bathe, 2. Vorsitzender des BGV Oberberg, und Sascha Bauer, Kirchenvorstand der Gemeinde St. Bonifatius, konnten viele Einzelheiten über die Baugeschichte und die Entstehung der Kirche beisteuern. Bauers Großvater war in der Bauzeit und danach als Küster an St. Bonifatius tätig, der Enkel konnte sogar noch die Schlüssel der alten Kirche vorweisen. Auch unter den 15 Teilnehmern der Führung konnten sich einige an den langsamen Baufortschritt der neuen Kirche erinnern, Bienefeld plante jedes Detail und überließ nichts dem Zufall, ein manchmal nicht nur für den Architekten quälender Prozess.
Die eigentliche Planungsphase begann 1973, dem Architekten stand ein 8.000 m2 großes Grundstück zur Verfügung, auf dem nicht nur die Kirche, sondern ein komplettes Gemeindezentrum entstehen sollte. Es blieb dann bei Kirche und Pastorat, die Baukosten beliefen sich auf 2,5 Mio. DM, die von der Erzdiözese und der Gemeinde getragen werden mussten. 1977 wurde nach diversen Anpassungen – so musste unter Berücksichtigung extremer Wetterlagen (Schneelast, Winddruck) die Dachlast von vier auf sechs wuchtige Pfeiler verlagert werden – die Baugenehmigung erteilt, die Weihe fand schließlich 1981 statt.

Dr. Bathe erläutert den Bauentwurf

Dr. Bathe unterstrich die architektonische Besonderheit der Kirche: Einerseits wurden viele heimische Baumaterialien (Grauwacke, Sandstein, Ziegel, Holz) verwendet, andererseits dient der Gebrauch römischer Bauelemente (Fischgrätenmuster, Wechsel von Ziegel- und Grauwacke-Schichten) dazu, die Bedeutung des Zentralraums, verankert in einer langen christlichen Tradition, hervorzuheben. Deutlich setzt sich der Kapellen- und Sakristei-Bereich, obwohl mit dem übrigen Kirchenbau durch ein gemeinsames Dach verbunden, durch die im Oberbergischen geläufige Bruchsteinverwendung ab. Trotz ihrer Größe wirkt die Dachkonstruktion leicht und scheint über dem Gemeinderaum zu schweben.
Der Innenraum der Kirche zeigt das Wirken der Ideen des 2. Vatikanischen Konzils, besonders die stärkere Einbeziehung der Gemeinde in die Gottesdienstgestaltung. Der gepflasterte Fußboden passt sich der leicht abschüssigen Topographie der Landschaft an und führt die Gläubigen direkt zum Altar. Lesepult und Nische stehen in ihrer markanten Schlichtheit für die Verkündigung, auf der anderen Altarseite haben Taufe und Abendmahl ihren Platz, das Taufbecken wiederholt das Oktogon im Kleinen. Kreuzwegtafeln aus der alten Kirche und neugeschnitzte Holzplastiken stellen Leben und Passion Jesu Christi dar.

Blick in den Zentralraum

Für Bienefeld sind aber nicht nur die Baustoffe als solche wichtig, sondern auch ihr Zusammenwirken in optimal dimensionierten Räumen. Daneben haben auch die wechselnden Lichtverhältnisse, die den Raum immer wieder neu in Szene setzen, und die Akustik, die den schönen Raum mit einem schönen Klang erfüllen soll, ihre Bedeutung. Die Orgel von St. Bonifatius ist fast 200 Jahre alt und kam aus St. Gertrud in Morsbach nach Wildbergerhütte.
Dr. Bathe ordnete zum Abschluss die Kirche baugeschichtlich ein und verwies auf berühmte Vorbilder (Pantheon in Rom, das Aachener Münster, die Brunelleschi-Kuppel von Santa Maria del Fiore in Florenz). Ein Blick auf das Leben Bienefelds, sein geistiges Umfeld und seine wichtigsten Werke rundeten das Bild ab. Obwohl Bienefeld keiner bestimmten Schule zuzuordnen ist und immer seine eigenen Vorstellungen verwirklicht hat – neben den Kirchen St. Bonifatius und St. Willibrord in Waldweiler im Hunsrück entwarf er drei Dutzend Privathäuser, von denen jedes ein architektonisches Unikat ist -, hat er auch heute – fast drei Jahrzehnte nach seinem Tod – noch eine enorme Anziehungskraft auf Studenten und Bauschaffende. Dabei war er kein bahnbrechender Theoretiker und es gibt auch nur wenige Interviews mit ihm. Aber er hinterließ ein riesiges Archiv mit mehr als 15.000 Zeichnungen und Plänen, die die Entstehungsgeschichte seiner Bauten akribisch dokumentieren. Dieser Ideenpool, im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt behütet und gepflegt, wird weiter in die Zukunft hineinwirken und für eine lebendige Symbiose von Vergangenheit und Zukunft sorgen.
Die Historische Mühle in Nespen ist eine alte Mahlmühle, die von der Wasserkraft der Wiehl angetrieben wurde. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1749 in einem Verzeichnis, das das Bergische Amt Windeck erstellen ließ. Sie war bis 1956 im Einsatz, konnte dann aber, wie viele andere Mühlen auch, nicht mehr mit den großen Industriemühlen mithalten. Es folgte ein langer Dornröschenschlaf, aus dem sie erst 2009 wieder erwachte: Das Ehepaar Jaeger kaufte die Mühle und begann mit der Restaurierung, unterstützt von den „Mühlenfreunden Nespen“. Von Vorteil ist, dass ein großer Teil der Mühlentechnik noch vorhanden ist. Obwohl die Mühle nicht in Betrieb, bekam die Gruppe einen kleinen Eindruck von ihrer Arbeitsweise. Erholsam war am Ende auch das obligatorische Kaffeetrinken im Mühlen-Café mit von Frau Jaeger selbst gebackenem Obstkuchen.

https://www.ferienland-reichshof.de/upload/pdf/WI-2020.08.19-Kirchenfuehrer_WI_als_Heft-ur.pdf

https://www.kulturstiftung.de/vitruvs-stiller-juenger/

http://www.muehlenfreunde-nespen.de/chronik.html

http://www.muehlenfreunde-nespen.de/vom-korn-zum-mehl.html
Text: Harald Meißner
Fotos: Marcus Dräger, Harald Meißner

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